Kulturwandel BTHG: Eine Neuordnung auf allen Ebenen
Kulturwandel BTHG Teil I: Die Welt der sozialen Arbeit redet über das BTHG – Schnittstellen zur Kinder- und Jugendhilfe, Schnittstellen zur Pflege, Finanzierungssystematiken, Förderplanung, -gewährung und -erfüllung sind die aktuellen Themen, die die Anbieter der Eingliederungshilfe umtreiben. Dabei ist das BTHG in seiner Ziel- und Umsetzung viel mehr als eine Neuordnung von Prozessen und Finanzierungssystematiken. Idealerweise geht das BTHG mit einem Wandel auf allen Ebenen der Organisation einher: in den Prozessen, der Struktur sowie der Kultur. In dieser zweiteiligen Reihe möchten wir den Kulturwandel beleuchten und was er für die Organisationsstrukturen sowie für die Mitarbeiterentwicklung bedeutet.
Strukturen öffnen, Synergien nutzen
Das BTHG in seiner Absicht, eine inklusive Gesellschaft zu fördern und entsprechend die Angebote für Menschen mit Behinderung besser zu verzahnen, erfordert eine Öffnung der starren Strukturen. Traditionell sind die Träger in der Eingliederungshilfe versäult aufgestellt, z.B. im Bereich Wohnen auf ambulante/stationäre Angebote. In größeren Trägern verteilt sich die Hilfe auf diverse Tochtergesellschaften. Selbst innerhalb eines Trägers mit verschiedenen Hilfeangeboten werden Synergien vielfach nicht genutzt. Das muss sich mit dem Kulturwandel BTHG ändern. Bei den komplexen Leistungspaketen, die die Empfänger zukünftig nutzen werden, müssen die Strukturen angepasst werden, um Hilfen aus einer Hand zu ermöglichen, auch über institutionelle Grenzen hinaus. Ein an der Zuständigkeit orientiertes Handeln wird es damit nicht mehr geben.
Mitarbeitende bei dem Kulturwandel mitnehmen
Neben einer Überarbeitung dieser Strukturen ist hier ein mitarbeiterorientiertes Handeln gefragt, denn nur, wenn die Mitarbeitenden Hilfen aus einer Hand tragen können, funktioniert das System. Sie müssen ihren Horizont dahingehend erweitern (dürfen), dass sie die notwendigen Grundlagen und die neuen Rahmenbedingungen zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben – also das Leben von Inklusion – selbstständig vorantreiben können. Dies setzt Kompetenz und Entscheidungsfreudigkeit voraus, Eigenschaften, die lernbar sind. Die Führungsebene muss den Mitarbeitenden einen Rahmen schaffen, auch „über den Tellerrand zu schauen“, um eine größtmögliche Gestaltungsfreiheit zu erhalten. Das Wissen darf nicht mehr nur der Führungsebene vorbehalten sein. Dies setzt einen Vertrauensvorschuss der Geschäftsführung voraus und erfordert gleichzeitig Einblicke in die konzeptionelle und wirtschaftliche Ausrichtung des Unternehmens.
Hierarchien hinterfragen
Viele Träger der Eingliederungshilfe sind nach wie vor in klassischen Hierarchien organisiert. Diese müssen – wohl oder übel – überdacht werden. Bei einer so komplexen Vielfalt der zukünftigen Hilfen sind starre hierarchische Strukturen unter Umständen kontraproduktiv, weil sie oft mit einer Verzögerung nötiger Entscheidungen einhergehen. Kurz gesagt: Die ganzheitliche Umsetzung des BTHG erfordert eine Auseinandersetzung des Managements mit der Führungsstruktur und –kultur des Unternehmens, zusätzlich zu der Überarbeitung von Prozessen.
Leistungsportfolio anpassen, personenzentrierte Hilfe umsetzen
Dass eine inklusive Eingliederungshilfe nur über personenzentrierte Hilfen funktionieren kann, war auch schon vor der Einführung des BTHG Konsens. Es zeigt sich aber, dass auch weiterhin die Hilfen vielfach den institutionellen Rahmenbedingungen unterworfen sind und damit den individuellen Ansprüchen der KlientInnen nur in Teilen gerecht werden. Durch das BTHG liegt nun eine gesetzliche Verpflichtung zur Umsetzung von personenzentrierten Hilfen vor und diese stellt viele Anbieter von Leistungen vor eine große Herausforderung. Die institutionsorientierte Ausrichtung der Angebote hat neben den engen und einschränkenden Finanzierungsbedingungen einen Rahmen geschaffen, der die Möglichkeiten der Personenzentrierung begrenzt. Vielfach sind in der Folge bestimmte benötigte Leistungen überhaupt nicht im Portfolio vorhanden und werden deshalb auch nicht als individuelle Lösung in Betracht gezogen.
Das BTHG bedeutet also eine Neuordnung auf allen Ebenen, notwendig sind die kritische Betrachtung des eigenen Leistungsportfolios, die Einbindung und gezielte Weiterentwicklung des Personals sowie eine eventuelle Restrukturierung der eigenen Organisation und ihrer Hierarchien.
Im zweiten Teil der Reihe „Kulturwandel BTHG“ wird das Top-Management in die Pflicht genommen. Wir beleuchten vor dem Hintergrund der Wertediskussion u.a. in den Medien, wie Führungskräfte ihre Mitarbeitenden bei dem Kulturwandel nicht nur durch Entwicklungsmöglichkeiten, sondern auch in ihrem Selbstverständnis stärken können.
Text: Marie KrampBirgitta Neumann
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