Die richtige Leitungsstruktur finden – mit System und Methode

Mittwoch, 29 Juni 2022 10:00

Passt Ihre Leitungsstruktur zu den zukünftigen Herausforderungen Ihrer Organisation? Welche Vorteile hat eine Einzelspitze? Welche dagegen eine Doppel- bzw. Mehrfachspitze? Die Führungsstruktur in den Blick zu nehmen, bietet sich besonders an, wenn eine langjährige Führungskraft das Unternehmen verlässt. Damit Sie die richtige Entscheidung für Ihre Organisation treffen, sollten Sie gezielt und systematisch an das Thema herangehen. Erfahren Sie im Beitrag, welche Methoden dabei zum Einsatz kommen und welche Faktoren Sie beachten sollten.   

 Die Generation der geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, erreichen nach und nach das Renteneintrittsalter – zu ihnen gehören auch viele langjährige Führungskräfte des Top-Managements der Gesundheits- und Sozialwirtschaft. Deshalb gilt es jetzt, in den Organisationen eine neue Unternehmensführung zu gestalten.

Das ist eine große Herausforderung: Wie kann die Nachfolge so geregelt werden, dass das Unternehmen auch künftig gut aufgestellt ist? Braucht die Organisation eine ganz neue Leitungsstruktur? Soll es eine Führungsspitze sein oder doch besser eine Doppelspitze – vielleicht sogar eine Dreierspitze? Dabei ist nicht immer das Festhalten an altbewährten Strukturen der richtige Weg: Was gestern erfolgreich war, bringt nicht zwingend auch morgen Erfolg. Vielmehr hängt gute Führung von der richtigen strukturellen Aufstellung mit relevanten Kompetenzen für zukünftige Herausforderungen ab. Sie sollten sich bei der Nachfolgeplanung also unbedingt fragen: Was benötigt Ihr Unternehmen für die Zukunft? Wie Sie herausfinden können, welche Spitzenstruktur die richtige für Ihr Unternehmen ist und welche Methoden dabei zum Einsatz kommen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Die Möglichkeiten, Führung zu gestalten, sind vielfältig. Es gibt den „spiritus rector“ an der Spitze, der mit einer zweiten Führungsebene (z. B. durch regionalverantwortliche Führungskräfte) agiert. Bei einer Doppelspitze können entweder gleichberechtigte Partner*innen zusammenarbeiten oder es herrscht ein „primus inter pares-Modell“. Bei dieser Variante kann z. B. einer von beiden als Sprecher*in des Vorstands fungieren und in dieser Position auch entscheidungsbefugt sein – muss es aber nicht. Darüber hinaus lässt sich auch eine Trias aus Chief Executive Officer, Chief Financial Officer und Chief Operation Officer einrichten.

Leitungsstruktur: Strategische Ausrichtung, Historie und konstitutive Regelungen

Zunächst sollten Sie sich auf die strategische Ausrichtung Ihres Unternehmens fokussieren – jede Organisation muss hierbei differenziert betrachtet werden – aus ihr leiten Sie ab, mit welcher Führungsstruktur Ihr Unternehmen den besten Erfolg erzielen kann. Notwendig ist zudem, einen Blick nach innen zu werfen und die Historie des Unternehmens zu betrachten. Einige Entscheidungshilfen ergeben sich auch anhand der Erfordernisse der Gremiengestaltung, des Gesellschaftsvertrags, der Satzung oder ähnlicher konstitutiver Regelungen (z. B. finanzielle Ressourcen) des Unternehmens. Nicht zuletzt sollten Sie berücksichtigen, ob der jeweilige Standort überhaupt über ausreichende Ressourcen an potenziellen Führungskräften verfügt.

Vorteile Einzel- vs. Mehrfachspitze

Einzelspitze: 

  • Klare Zuständigkeiten nach innen und außen
  • Effizienz der schnellen Entscheidungsfindung: Keine Umwege durch Abstimmungen in der Führungsspitze
  • Eindeutige transparente Entscheidungsfindung
  • Keine Gefahr des Dissens/ Lähmung der Entscheidungsfindung
  • Niedrigere Personalkosten

Mehrfachspitze:

  • 4-Augenprinzip: Risikominimierung und Compliance
  • Mehrere Perspektiven fließen in die Entscheidungsfindung ein; Entscheidungen werden sorgfältiger reflektiert, tiefer durchdrungen und sind oftmals reifer
  • Aufgaben werden nach Kompetenzen verteilt und der Druck der Alleinverantwortung wird reduziert
  • Im Krankheits- oder Kündigungsfall bleibt eine fortführende und fachkompetente Leitung gewährleistet
  • Höhere Präsenz des Top-Management

Methode 7S4K: So finden Sie die richtige Struktur

Wenn Sie Ihre Unternehmensführung erfolgreich für die Zukunft aufstellen wollen, sollten Sie systematisch und methodisch geleitet an diese Aufgabe herangehen. Mit der Methode 7S4K, ermitteln Sie, welche Anforderungen ein Unternehmen an eine neue Führungsspitze stellt. Dabei wird im Rahmen des 7S-Modells zunächst ein Unternehmensprofil erstellt, das auf sieben Strukturelementen basiert. Dazu zählen harte Faktoren wie der Aufbau der Organisation und der Hierarchie, ebenso wie die angebotenen Leistungen und Regionen sowie Hilfefelder, in denen sich das Unternehmen betätigt. Außerdem werden auch Prozesse, Tools und Werkzeuge der Organisation betrachtet. Darüber hinaus fließen weiche Faktoren in die Analyse mit ein wie die Kompetenzen der Mitarbeitenden und des gesamten Unternehmens. Auch die Unternehmenskultur, Werte und Leitbilder spielen eine maßgebliche Rolle bei der Erstellung des Unternehmensprofils.

Betrachten Sie diese Strukturelemente in Ihrem Unternehmen genau, denn so finden Sie heraus, in welchen Bereichen das Unternehmen schon gut aufgestellt ist und was die Organisation aus Ihrer Sicht noch für die Zukunft braucht. Orientieren Sie sich dabei u. a. an diesen Fragestellungen:

  • Existiert eine ganzheitliche Unternehmensstrategie (Regionen, Hilfefelder, Leistungen)?
  • Ist die derzeitige Unternehmensstruktur (Aufbauorganisation und Hierarchie) geeignet, um die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen?
  • Wie sind die Prozesse in den einzelnen Bereichen gestaltet?
  • Inwieweit ist das Leitbild der Organisation den Mitarbeitenden bekannt?
  • Über welche Kompetenzen und Fähigkeiten verfügen Ihre Mitarbeitenden und wie werden diese eingesetzt?

Basierend auf Ihren Antworten ergibt sich eine Matrix, die aufzeigt, wo Sie als Unternehmen bereits gut aufgestellt und wo Sie noch Handlungsbedarf haben. Vor diesem Hintergrund gilt es, in den nächsten Schritten abzuleiten, welche Kompetenzen für die zukünftigen Aufgabestellungen für Sie ganz besonders relevant sind. Das 4K-Modell unterscheidet dazu vier Kompetenzfelder, denen die verschiedenen Fähigkeiten zugeordnet werden können:

  • Fachkompetenz: Sachverständnis und Kenntnisse des Arbeitsbereichs
  • Persönlichkeitskompetenz: Einstellungen, Motive sowie Werthaltungen
  • Sozial- und Führungskompetenz: Kooperative sowie kommunikative Fähigkeiten und Verhaltensweisen
  • Methodenkompetenz: Kenntnisse von Methoden und die Fähigkeit, diese in beruflichen oder außerberuflichen Situationen problemlösend anzuwenden

Haben Sie die Methode 7S4K angewendet, kennen Sie die Anforderungen, die eine zukünftige Führungsspitze mitbringen und die Kompetenzen, über die sie verfügen sollte. Daraus können Sie auch ableiten, welches Führungsmodell für Ihre Organisation für die kommenden Jahre zielführend ist.

Management Audit: Interne Kompetenzen erkennen und weiterentwickeln

Sobald Sie wissen, welche Leitungsstrukturen und Kompetenzen die Organisation benötigt, gilt es, eine passende Nachbesetzung zu finden. Vergessen Sie dabei nicht die Talente in Ihrem Unternehmen – eine interne Besetzung spart Zeit und Kosten und fördert darüber hinaus die Mitarbeiterbindung. Das Management Audit ist ein Verfahren, mit dem ermittelt werden kann, welche Kompetenzen Sie in den Führungspositionen im eigenen Haus haben. So gelingt es Ihnen zum einen, schnell und strukturiert eine Nachfolge aus den eigenen Reihen zu finden. Zum anderen gibt das Audit auch Aufschluss darüber, welche Kompetenzen noch nicht vorhanden sind und entwickelt werden sollten. Dazu wird ein organisationsbezogenes Anforderungsprofil für die zweite Führungsebene erstellt, das die notwendigen Kompetenzen mittels Verhaltensanker messbar macht.

Es stellt sich heraus, dass Ihre neue Führungsspitze starke Kompetenzen in den Bereichen Team-Empowerment und Fehlerkultur mitbringen sollte? Dann könnte das Anforderungsprofil so aussehen:

Der*die Kandidat*in

  • reflektiert die Leitgedanken der neuen Organisationsstruktur mit Blick auf eigenes Führungsverhalten und Entwicklungschancen
  • stärkt sein*ihr Team durch Einbindung der Mitarbeitenden
  • kann seine*ihre Erwartungen an Mitarbeitende klar formulieren
  • lebt konstruktive Feedback- und Fehlerkultur
  • ist kritikfähig und selbstreflektiert
  • kennt Möglichkeiten und Grenzen der Konsensfindung und Konfliktlösung

In einem nächsten Schritt sollten Sie überprüfen, inwiefern die notwendigen Kompetenzen bereits bei den Führungskräften in Ihrer Organisation vorhanden sind. Mit den folgenden drei Instrumenten gelingt es, sichere und valide Ergebnisse zu erzielen. Beachten Sie aber, dass solche Prozesse durch eine geschulte Person, z. B. im Rahmen eines Workshops durchgeführt werden sollten:

  • ProfileXT: Standardisiertes Profiling Instrument zur Messung der Denkmuster, des berufsbezogenen Verhaltens sowie der Interessen
  • Potenzialgespräch: Situative Fragen zur Erhebung der organisationsspezifischen Kompetenzen
  • Assessement Center: Multivariates Assessment Center mit Verhaltensbeobachtungen im Einzel- und Gruppensetting sowie Fallstudien und Konzeptionsübungen

Die Nordeifelwerkstätten: Eine Leitungsstruktur für die Zukunft

Gemeinsam mit contec haben die Nordeifelwerkstätten ein Management Audit in ihrer Organisation durchgeführt. Das Ziel des Trägers: Neuen Anforderungen der Kunden sowie den Herausforderungen im Rahmen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Zukunft sicher begegnen zu können. Im Rahmen eines Workshops wurden gemeinsam Überlegungen zur zukünftigen Aufbaustruktur der Nordeifelwerkstätten angestellt. Dabei stellten sich flachere Hierarchien und mehr Verantwortung für die Führungskräfte unterhalb der Geschäftsführung als wichtige Stellschrauben für das Erreichen der gesetzten Ziele heraus. Um die Führungsstrukturen dementsprechend neu zu organisieren, setzte der Träger diese Maßnahmen im Rahmen des Management Audits strategisch und gezielt ein:

  • Eine umfassende Potenzialanalyse des gesamten Führungsteams: Wo steht das Führungsteam? Wie sollen sich die Führungskräfte weiterentwickeln?
  • Ein Kompetenzprofil der zukünftigen Führungskraft: Welche Fähigkeiten sollte die neue Führung haben?
  • ProfileXT: Wie gut passen die Kompetenzen der Führungskräfte in der Organisation zu dem Zukunftsprofil?
  • Individuelle Potenzialgespräche: Wie schätzen die Führungskräfte Ihre Fähigkeiten ein?
  • Gruppen-Assessmentcenter: Wie gehen die Führungskräfte mit Situationen um, die für die neue Ausrichtung der Organisation und künftige Anforderungen wichtig sind?

Am Ende des Audits hatte der Träger Potenzialeinschätzungen sowie konkrete Entwicklungsempfehlungen für alle Teilnehmenden erarbeitet. Darauf basierend führten die Werkstätten individuelle Entwicklungsgespräche mit den Führungskräften und setzten ein mehrjähriges Entwicklungsprogramm auf. Die neue Führungsstruktur konnte daraufhin schon bald in der Praxis umgesetzt werden.

Lesen Sie hier mehr über das spannende Projekt der Nordeifelwerkstätten.

Die richtigen Führungsstrukturen zu finden, kann eine große Herausforderung für Unternehmen sein. Gehen Sie diese Aufgabe daher mit System und Methode an. Nur so gelingt es Ihnen, die Leitungsstrukturen zu finden, mit denen Ihre Organisation auch in Zukunft gut aufgestellt ist.

Text: Katharina Ommerborn
© Drobot Dean/ Adobe Stock

Silvia Breyer

Portrait von Silvia Breyer, contec GmbH

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