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„Integration durch Addition“: so darf sicher die maßgebliche Formel lauten, wenn es darum geht, die Konzepte für die zunehmend pflegebedürftigen Klienten der Eingliederungshilfe zu gestalten. Dabei können aber verschiedene ‚(Rechen)wege‘ zum Ziel führen – das Kombinieren von Teilhabeförderung und Pflege ist enorm wichtig, bedarf aber differenzierter Planung.
In keinem der jüngeren Gesetze wird die Frage nach dem Verhältnis von ‚Teilhabeförderung‘ (Eingliederungshilfe) und ‚Pflege‘ geklärt. Weder in den drei Pflegestärkungsgesetzen noch im Bundesteilhabegesetz ist Abschließendes zu Nahtstellenregelungen gesagt. Die meisten Beteiligten sind zunächst froh darüber: drohte doch zwischenzeitlich (über den Entwurf des PSG III), dass der Ort der Leistungserbringung (im unmittelbaren häuslichen Umfeld oder nicht?) das maßgebliche Kriterium werden könnte, wer die Leistung erbringt und trägt. Noch im Sommer 2018 steht immerhin die bundeseinheitliche Regelung zu den Befugnissen von Trägern der Eingliederungshilfe zur Erbringung von Leistungen der Pflegeversicherung an. Das Thema selbst bleibt stark im Fokus. Vieles ist nach wie vor der Klärung im Einzelfall überlassen, oder, um es noch deutlicher auf den Punkt zu bringen, der nicht immer sachlogisch geprägten Hoheit der Hilfeplankonferenzen. Gleichzeitig werden immer mehr KlientInnen der Behindertenhilfe hochaltrig und vordergründig pflegebedürftig.
Immer mehr Träger der Eingliederungshilfe nehmen sich des brisanten Themas systematisch an. Es geht vor allem darum, neu gedachte Angebote zu schaffen, die wirklich den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht werden und insbesondere nicht zum bloßen Wechsel von der Eingliederungshilfe zur Altenhilfe führen.
Ein Trend zeichnet sich dahingehend ab, die Pflegeangebote eher selbst in Eigenregie gestalten zu wollen – zu vielschichtig sind offenbar die Schnittstellenfragen. Oft sind es ja die ganz einfach erscheinenden, aber in der Praxis durchaus kniffligen Vorrang-Fragen, die sich in Kooperation mit gleichberechtigten externen Dienstleistern nur sehr schwierig abstimmen lassen. Die Modelle der Integration sind da durchaus unterschiedlich und reichen von der fachlich kombiniert gestalteten Wohnform bis zur Gründung von Pflegediensten, um perspektivisch für alle Klienten auch des großen Trägers die ‚richtige‘ Angebotsmischung gestalten zu können.
Kunden der contec machen interessante Erfahrungen in entsprechenden Projekten. So sollte bei einem großen Träger die Ambulantisierung von Menschen mit schwerst-mehrfach Behinderungen durch die Kombination von Eingliederungshilfeleistungen nach SGB XII in Form des ambulant betreuten Wohnens mit „rund um die Uhr Bereitschaft“ und Pflegeleistungen nach SGB XI und V (Grund- und Behandlungspflege) realisiert werden. Die Leistungen sollten zielführend durch ein Eingliederungshilfeteam in enger Kooperation mit dem bestehenden Pflegedienst des Trägers erbracht werden.
Trotz hoher Priorisierung des Projekts durch die Geschäftsführungen und großer Motivation der Mitarbeitenden kam es zu gravierenden Reibungsverlusten und Qualitätseinbußen. Zurückzuführen waren die Schwierigkeiten auf die unterschätzten Kultur- und Finanzierungsunterschiede zwischen Eingliederungshilfe und Pflege. Es trafen die Arbeitsweise der Eingliederungshilfe, die das Selbstbestimmungsrecht beachtet und rund um die Uhr eine Verantwortlichkeit für das Wohlergehen der anvertrauten Menschen in den Fokus stellt, auf die tourenorientierte und zeitgetaktete Arbeitsweise des Pflegedienstes aufeinander. So stieß z.B. die zeitliche Festlegung der großen Grundpflege bei der für eine wirtschaftliche Leistungserbringung notwendigen Tourenplanung auf Unverständnis und Ablehnung bei dem zu Pflegenden (und seiner pädagogischen Bezugsperson), der es aus seinem bisherigen Wohnheimsetting gewohnt war, seine Badezeiten selbst festzulegen und dies natürlich auch in seiner eigenen Wohnung beibehalten wollte.
Zur Lösung des Problems wurde nun eigens für dieses Vorhaben ein eigener Pflegedienst gegründet, um „Hilfen aus einer Hand“ zu realisieren. Damit wurde die in der Sozialgesetzgebung verankerte Trennung der Leistungen aufgehoben. Nunmehr werden die Leistungen nicht mehr von verschiedenen Diensten erbracht, sondern nur noch von dem extra neugegründeten Pflegedienst. Davon profitieren vor allem die Leistungsempfänger, die in ihrem Alltag fortan eine erhebliche Entlastung erfahren. Für die Mitarbeitenden ist die Bündelung der verschiedenen Leistungen in einem Pflegedienst allerdings mit beachtlichen Herausforderungen verbunden. Diese haben nun die durchaus anspruchsvolle Aufgabe, sowohl Eingliederungshilfe- als auch Pflegeleistungen an ein und derselben Person zu erbringen, als auch diese Leistungen akribisch zu Nachweis- und Abrechnungszwecken zu dokumentieren. Dazu bedarf es umfassend weitergebildeter Mitarbeitender und eines übergreifend denkenden und lenkenden Leitungsteams, das sowohl die pädagogischen als auch pflegerischen Kompetenzen und Voraussetzungen zur Anerkennung durch die Leistungsträger mitbringt. Ist dies so sowohl nach extern (mit den Kostenträgern) wie auch intern (gemeinsames Konzeptverständnis mit multifunktional und ganzheitlich denkend agierenden Mitarbeitenden) vereinbar, sind erhebliche fachliche wie wirtschaftliche Synergien möglich.
Geht es darum, pflegerische Angebote strategisch und sehr breit für den gesamten Träger in seinem Versorgungsbereich aufzubauen, ist die Gründung oder der Erwerb eines häuslichen Pflegedienstes die Methode der Wahl. Eigenes oder relativ leicht aufzubauendes personelles Potenzial und niedrigere Anforderungen der Kostenträger an die Mindestbesetzung sind Hauptkriterien ‚pro-Gründung‘, während ein etwaiges Abgabe-Interesse des Eigentümers eines ‚passenden‘ Dienstes oder hohe Mindestpersonalanforderungen der Kostenträger eher Kriterien ‚pro-Erwerb‘ darstellen. Es ist interessant, wie stabil die Zahlen sind: Bei allen großen Trägern der Eingliederungshilfe, die contec begleitet, waren rund ein Drittel der jeweils über 1.000 KlientInnen bereits als pflegebedürftig (mit einem Pflegegrad 2 – 5) begutachtet worden. Das macht schon einmal das Potenzial deutlich: man braucht, um einen Pflegedienst tragfähig gestalten zu können, in der Regel mindestens 30 Kunden (wenn vordergründig in ambulant betreuten Wohnformen agiert wird) bis 60 Kunden (‚normaler‘ Pflegedienst). Die Potenziale sind groß und inhaltlich z. B. an diesen Optionen fest zu machen:
Die spannendsten Knackpunkte in der Umsetzung liegen – neben der Frage der Gewinnung qualifizierten Personals – zum einen meist darin, klug integrierend auf die sehr unterschiedlichen Kulturen der Pflegenden und der Pädagogen einzugehen. Zum anderen muss im Blick sein, dass der Pflegedienst, so von ihm auch Wirtschaftlichkeit erwartet wird, auch ‚klassische‘ Pflegekunden in flüssig gestalteten Touren braucht. Es verlockt, das Pflegeteam vordergründig oder gar ausschließlich mit der so wichtigen Betreuung der komplexesten und pflegeaufwändigen KlientInnen zu betrauen, was aber zu Abstrichen in der Wirtschaftlichkeit der Tourenplanung führen kann.
Es gibt keine Nahtstellenmodelle zwischen Eingliederungshilfe und Pflege, die ‚von der Stange‘ gewählt werden können. Die KlientInnen brauchen differenzierte Planungen. Diese sind möglich, wenn die fachlichen wie wirtschaftlichen Potenziale genau betrachtet werden. Vor allem die Ableitungen aus den Pflegestärkungsgesetzen wie dem Bundesteilhabegesetz bieten Chancen, die aller Voraussicht nach auch nicht von den anstehenden, konkretisierenden Landesverordnungen genommen werden. Es war – angesichts der weiterbestehenden Freiräume – aber auch noch nie so viel Gestaltungswille gefragt, um die wirklich passgenauen Angebote zu entwickeln.
Sie haben Fragen rund um das Thema Versorgungsmodelle an der Schnittstelle von Pflege und Eingliederungshilfe? Sprechen Sie uns unverbindlich an!
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