Wissenstransfer in Unternehmen im Zuge der Nachfolgeplanung
Geht eine langjährige Führungskraft in den Ruhestand, stellt der Wissenstransfer von Vorgänger*in zu Nachfolger*in eine der größten Herausforderungen dar: Wie kann das über viele Jahre aufgebaute Wissen artikuliert und weitergegeben werden? Während der Einarbeitung sollte daher der gezielte Transfer von sowohl explizitem und damit gut systematisierbarem Wissen als auch implizitem Wissen über Unternehmens- oder Entscheidungskultur sichergestellt werden. Wir zeigen auf, was es zu beachten gibt, damit der Wissenstransfer in Unternehmen gelingt.
Wissen als relevante, personenbezogene Ressource
Die Sozialwirtschaft erlebt eine Verrentungswelle: Die Babyboomer-Generation, die viele Führungspositionen bekleidet, geht nach und nach in den Ruhestand. Den Unternehmen droht mit Ausscheiden dieser Führungskräfte wichtiges Erfahrungswissen verloren zu gehen. Denn gerade diejenigen, die seit Jahren oder Jahrzehnten im gleichen Unternehmen sind, haben sich einen wertvollen Wissensbestand aufgebaut, darunter Fachwissen, Kenntnisse von Netzwerken, kulturelles Wissen – und viele weitere Bereiche, die entscheidend für die erfolgreiche Führung einer sozialen Organisation sind. Wissen ist – anders als Rohstoff, Kapital und Arbeit – eine personenbezogene Ressource, die mit der Person bei Austritt aus der Organisation schwindet, wenn sie nicht systematisch übergeben und somit gesichert wird.
Gleichzeitig gewinnt Wissen als Unternehmensressource an Relevanz in der Sozialwirtschaft. Soziale Organisationen entwickeln sich immer stärker zu Expertenunternehmen, ihr Wissen ist Teil ihrer Dienstleistung und es gilt, um jeden Preis zu verhindern, dass wertvolles Wissen bei einer Unternehmensnachfolge verloren geht. Deshalb ist ein systematisches Wissensmanagement ein wichtiger Baustein bei der Unternehmensführung und der gezielte Wissenstransfer unbedingter Bestandteil des Onboardings einer neuen Führungskraft im Rahmen der Nachfolgeplanung.
Um Wissen erfolgreich weitergeben zu können, ist es zunächst wichtig, die unterschiedlichen Formen von Wissen zu kennen, die in einem Unternehmen existieren, und zu wissen, wie man diese am besten identifiziert und abbildet. Man unterscheidet zwischen explizitem und implizitem Wissen.
Explizites Wissen:
- kann einfach systematisiert, kodiert und artikuliert werden
- kann einfach durch Zahlen und Wörter vermittelt werden
- bezeichnet beschreibbares Regel- und Faktenwissen
Implizites Wissen:
- ist nur schwer artikulierbar, weil der/die Wissensträger*in sich oft nicht darüber bewusst ist
- wurde über einen längeren Zeitraum verinnerlicht
- wird meist intuitiv angewendet
Wissenstransfer in Unternehmen vorbereiten
Die gute Nachricht vorweg: Explizites Wissen ist verhältnismäßig gut zu identifizieren und abzubilden. Bezogen auf die Unternehmensführung beinhaltet explizites Wissen die Unternehmenszahlen, -daten und -fakten, z. B. auch Abkürzungen der Fachbereiche oder andere interne Regelungen, die für den oder die Stelleninhaber*in selbstverständlich sind, für Außenstehende aber neu. Inhalte der relevanten Sozialgesetzbücher und bspw. betriebswirtschaftliches Know-how zählen ebenfalls zum expliziten Wissen. Der Vorteil von explizitem Wissen ist, dass es sich relativ leicht abbilden lässt und so auch nach einer möglichen Überlappungsphase von Vorgänger*in und Nachfolger*in wieder abgerufen werden kann. Stellt das Unternehmen dem/der Nachfolger*in dieses Wissen aufbereitet zur Verfügung, bleibt es auch dann erhalten, wenn Führungskräfte das Unternehmen verlassen.
Abbildung 1: Beispiele für explizites Wissen
☛ Tipp: Wissen auf einer „Landkarte“ abbilden
Um den Wissenstransfer zu vereinfachen, empfehlen sich sogenannte Knowledge Maps (Wissenslandkarten). Diese bilden grafisch ab, welches Wissen an welchen Stellen im Unternehmen verankert ist und um welche Art von Wissen es sich handelt (Expertenwissen, Teamwissen, Abläufe und Strukturen etc.). Mithilfe dieser Landkarte kann sich eine neue Führungskraft auch nach und nach noch Wissen „einholen“.
Verborgenes Wissen identifizieren
Implizites Wissen ist meist verborgenes und verinnerlichtes Wissen, das sich Führungskräfte über viele Jahre mehr oder weniger unbemerkt angeeignet haben. Es beinhaltet u. a. Kenntnisse und Erfahrungen zur
- Unternehmenskultur,
- Traditionen und Bräuchen
- Persönlichkeiten und Charakteren
Oft können Wissensträger*innen dieses Wissen selbst nicht klar artikulieren, weil es für sie selbstverständlich ist. Sie wenden das Wissen automatisch, spontan und intuitiv an, ohne sich darüber bewusst zu sein. Es ist daher sehr schwierig aufzudecken, welche Kenntnisse vorhanden sind und weitergegeben werden sollen. Es zeigt sich meist erst im Verlauf der Einarbeitung der neuen Führungskraft, dass entsprechendes Wissen fehlt. Ist der oder die Vorgänger* in dann nicht mehr im Unternehmen, kann dieses Wissensdefizit gravierend sein. Implizites Wissen sollte daher bewusst identifiziert und so weitergegeben werden, dass es auch nach einem Wechsel an der Spitze im Unternehmen erhalten bleibt.
Abbildung 2: Beispiele für implizites Wissen
Persönliche Interaktion als Schlüssel
Der beste Weg, um implizites Wissen weiterzugeben, besteht in persönlicher Interaktion. Es ist schwieriger transferierbar als explizites Wissen, das auch in niedergeschriebener oder digitalisierter Form abgelegt und aufbereitet werden kann.
Der Großteil des wettbewerbsrelevanten Wissens in Unternehmen lässt sich der impliziten Form zuordnen und ist somit zunächst verborgen. Je länger eine Person eine Führungsposition ausübt, desto umfangreicher ist ihr impliziter Erfahrungsschatz. Ein regelmäßiges Reflektieren der eigenen Arbeit kann Führungskräfte dabei unterstützen, sich impliziter Wissensanteile bewusst zu werden. Bleiben Vorgänger*in und Nachfolger*in während und nach der eigentlichen Einarbeitung im Austausch, kann das den Transfer dieses Wissens fördern.
Führungskräfte als zentrale Wissensträger*innen
Führungskräfte sollten neben strategischem und operativem Managementwissen ein ausgeprägtes Fachwissen und ein fundiertes Erfahrungs- und Handlungswissen in sich vereinen. Als zentrale Wissensträger*innen haben sie eine Schlüsselposition inne, denn sie verfügen über Wissen, dass dem Unternehmen bei einem Wechsel an der Spitze verloren geht. Daraus resultiert im schlimmsten Fall immer eine Wissenslücke. Im Rahmen eines gelungenen Onboarding-Prozesses kann es aber gelingen, diese möglichst klein zu halten und das wichtige Wissen an den/die Nachfolger*in zu transferieren.
☛ Mehr Informationen sowie Tools und Maßnahmen zum Wissenstransfer in Unternehmen und rund um das erfolgreiche Executive Onboarding erhalten Sie in der Veröffentlichung „Ihr Wechsel an die Spitze – Die ersten 100 Tage im Job“, die Sie kostenfrei herunterladen können.
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Dr. Thomas Müller
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