Wirtschaftlichkeit in der Kinder- und Jugendhilfe – vier Erfolgsfaktoren
Damit Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe ihre Leistungen qualitativ hochwertig anbieten und ihre Betriebserlaubnis sichern können, ist eine solide wirtschaftliche Basis notwendig. Träger in einer guten wirtschaftlichen Situation können innovativ handeln und aktuellen Herausforderungen, die sich aus dem Fachkräftemangel und der inklusiven Lösung ergeben, erfolgreich begegnen. In diesem Beitrag gehen wir deshalb der Frage nach, welche Erfolgsfaktoren Träger bei der Umsetzung einer guten wirtschaftlichen Basis unterstützen können.
Durch das KJSG rückt das Thema der Wirtschaftlichkeit mehr und mehr in den Vordergrund. Im § 45 SGB XIII: Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung wird das Merkmal einer guten wirtschaftlichen Lage zur Beurteilung der Zuverlässigkeit herangezogen. Eine gute wirtschaftliche Situation ist erforderlich, um die Betriebszulassung zu behalten oder überhaupt zu erlangen, wenn man mit einem neuen Angebot an den Markt gehen möchte. Und auch in Zeiten steigender Sach-, Energie- und Personalkosten wird besonders deutlich, wie wichtig eine gute wirtschaftliche Basis für Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe ist. Sie ist notwendig, um inklusive und innovative Angebote zu konzeptionieren und etablieren, was vor dem Hintergrund zunehmender fachlicher und wirtschaftlicher Anforderungen von außen mit hoher Priorität berücksichtigt werden muss.
In alltäglichen Arbeitsprozessen in der Kinder- und Jugendhilfe besitzt die Wirtschaftlichkeit jedoch unserer Erfahrung nach oftmals nicht die notwendige Priorisierung – der Fokus wird häufig auf die Qualität und Fachlichkeit gelegt. Für einen langfristigen Erfolg müssen Organisationen diese Aspekte jedoch zusammendenken.
Vier Erfolgsfaktoren auf dem Weg zu einer guten wirtschaftlichen Basis
Wir stellen Ihnen in diesem Beitrag exemplarisch vier Erfolgsfaktoren vor, die zu einer wirtschaftlich und qualitativ hochwertigen Leistungserbringung beitragen. Zudem gehen wir auf die Möglichkeiten ein, wie diese in der eigenen Organisation möglichst erfolgreich umgesetzt werden können.
1. Leistungs- und Vergütungsverhandlungen erfolgreich bestreiten
Wirtschaftlich betrachtet sind auskömmliche Entgelte die Basis für eine erfolgreiche und innovative Geschäftsentwicklung. Eine der wichtigsten Stellschrauben hierfür sind wiederkehrende Entgeltverhandlungen mit den örtlichen Leistungsträgern auf Basis bestmöglich formulierter Leistungsvereinbarungen je Angebot. Mehr Informationen bezüglich der erfolgreichen Durchführung haben wir bereits in unserem Beitrag zu Entgeltverhandlungen in der Jugendhilfe und Eingliederungshilfe bereitgestellt.
In Leistungs- und Vergütungsverhandlungen steckt viel Potenzial, das es mit einer strukturierten Herangehensweise zu nutzen gilt. Speziell bei Unternehmen mit einer Vielzahl an Angeboten bzw. Kostensätzen und eines sich stetig weiterentwickelnden Angebotsportfolios stellt die professionelle Vorbereitung der Entgeltverhandlungen einen hohen organisatorischen, kaufmännischen und administrativen Aufwand dar.
2. Ein professionelles Controlling implementieren
Ein zweiter wichtiger Erfolgsfaktor für eine gute Wirtschaftlichkeit, der auch die Vorbereitung der Leistungs- und Vergütungsverhandlungen erheblich vereinfacht, ist ein professionell strukturiertes Controlling. Geschäftsführungen wie auch Führungskräfte brauchen die wichtigsten Kennzahlen übersichtlich, maßgerecht und aktuell aufbereitet, um stets einen aktuellen Überblick über die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Angebote zu erhalten. Als Basis hierzu eignet sich u. a. das um Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation bereinigte Betriebsergebnis – auch als EBITDA bezeichnet – das die tatsächliche betriebswirtschaftliche Leistung des jeweiligen Angebotes darstellt. Hieraus ist zu bewerten, welche Angebote wirtschaftlich tragfähig sind, welche Tendenzen erkennbar sind und wo es einer detaillierten Überprüfung bedarf.
Die jeweils verantwortlichen Führungskräfte benötigen einen Überblick über die für ihren Verantwortungsbereich bestehenden Leistungsvereinbarungen und müssen diese mit dem Blick auf deren Aktualität wiederkehrend prüfen. Bereits kleinere Leistungsanpassungen können Auswirkungen auf die Auskömmlichkeit der jeweiligen Entgelte haben. Prüffragen wie: „Sollten einzelne Leistungsvereinbarungen überarbeitet werden? Braucht es neue Verhandlungen z. B. für neue oder für die Anpassung bestehender Angebote? Kann das Angebot wirtschaftlich fortgeführt werden?“ eignen sich für eine erste Bewertung. Ein professionelles Controlling ist für die Beantwortung dieser Fragen unerlässlich. Es unterstützt die Leitungskräfte bei der Bewertung, die Geschäftsführung bei der Entscheidungsfindung und ermöglicht ein zeitnahes Reagieren.
Es ist zudem unerlässlich, die Bereiche Finanzierung, Verwaltung und Leitung eng miteinander zu verzahnen. Führungskräfte sollten die benötigten Informationen bei Bedarf stets zur Verfügung haben, um weitere Schritte zu prüfen und zu bewerten, wie notwendige Anpassungen plausibel gegenüber den Leistungsträgern argumentiert und durchgesetzt werden können. Ein professionelles Controlling sowie ein strukturiert aufgebautes Kennzahlensystem können dabei unterstützen, Abrechnungs-, Prüf- und Dokumentationsprozesse zu optimieren.
3. Wirtschaftliches Risiko abbilden
Im Zuge von Veränderungsprozessen und neuen Anforderungen besteht eine wichtige Aufgabe darin, neue Angebotsformen zu entwickeln. Für solche Konzeptentwicklungen, ebenso wie für die Bereitstellung von qualifiziertem Personal im Zuge der Prüfung der Betriebserlaubnis, gehen freie Träger häufig in Vorleistung und setzen sich damit einem wirtschaftlichen Risiko aus. Basis für eine solide Bewertung ist zunächst einmal die Klarheit darüber herbeizuführen, wie sich das jeweilige Angebot betriebswirtschaftlich darstellt. Grundsätzlich ist es notwendig, dass Träger ein auskömmliches positives Betriebsergebnis erzielen, um Konzeptionsarbeiten und den Aufbau neuer Angebote abzudecken sowie innovativ handeln zu können. Zudem braucht es Instrumente, die das finanzielle Risiko ausgleichen und in Entgelten und Entgeltverhandlungen abbilden können.
Eine Abbildung des unternehmerischen Risikos ist beispielsweise über die Auslastungsquoten oder einen Risikozuschlag möglich. Anders als z. B. in der Pflege gibt es allerdings in der Kinder- und Jugendhilfe derzeit noch keine Studien, die sich damit auseinandersetzen, wie sich ein geeigneter Zuschlagssatz zusammensetzt. Es gibt keine definierte Grundlage für die Abbildung des unternehmerischen Risikos, dies muss für jeden Träger individuell ausgehandelt werden. Markt- und Wettbewerbsanalysen sind hilfreich, um sich an anderen, ähnlichen Trägern orientieren zu können. Außerdem können Risikoschemata eine gezielte Analyse unterstützen, indem sie einen Überblick über Risiken, mögliche Schäden und Wahrscheinlichkeiten geben.
4. Wirtschaftlichkeit im Zusammenhang betrachten
Der Wirtschaftlichkeit sozialer Organisation kommt wie beschrieben eine immer größere Bedeutung zu. Wichtig ist, diese nicht losgelöst von anderen Faktoren, sondern stattdessen vernetzt zu denken. Es braucht einen Ansatz, um Ziel, Strategie, Wirtschaftlichkeit und Dienstleistungsorientierung zusammenzudenken. Aufgabe der Führungskräfte ist es, ihren Verantwortungsbereich auf Basis einer zuvor trägerübergreifend zu erarbeitenden ganzheitlichen Strategie zu steuern und damit auch den Aspekt der Wirtschaftlichkeit konstant mitzudenken.
Herausforderungen bewältigen und handlungsfähig bleiben
Um den betriebswirtschaftlichen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen, sollte der Aspekt der wirtschaftlichen Rentabilität zu einem festen Bestandteil der alltäglichen Arbeitsprozesse werden. Eine zuvor festgelegte und automatisierte Steuerungshilfe in Form passgenauer Kennzahlen hilft dabei, dass sich die verantwortlichen Führungskräfte stets einen aktuellen Überblick über den eigenen Verantwortungsbereich verschaffen können, und versetzt die Geschäftsführung in die Lage, stets einen aktuellen Gesamtblick zu erhalten.
Hieraus ergibt sich die Möglichkeit und Chance, das eigene Leistungsangebot zu sichern, anzupassen und Innovationen auf den Weg zu bringen. Gerade in Zeiten der Veränderung hin zu Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung, ist dies eine dringende Notwendigkeit. Damit Organisationen handlungsfähig und innovativ bleiben, müssen diese den Aspekt der Wirtschaftlichkeit mit hoher Priorität und über alle Leitungsebenen hinweg in ihre Unternehmensstrategie integrieren.
Titelbild: © wichayada/ Adobe.Stock
Birgitta Neumann
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