WfbM und Demografie: Werkstattkonzept im Sinne des BTHG
Werkstätten im Wandel II Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sehen sich aktuell mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, auf die sie in ihrem Werkstattkonzept reagieren müssen:
- Demografie: Der demografische Wandel und die Öffnung des allgemeinen Arbeitsmarkts für Menschen mit Behinderung verändern mittelfristig die Struktur der Teilnehmer*innen, hier v. a. Alter und Art der Behinderung.
- BTHG und Personenzentrierung: WfbM sind nicht zuletzt durch das BTHG gezwungen, ihre Förderung mehr und mehr personenzentriert zu gestalten und dies in ihrem Werkstattkonzept festzuschreiben.
- Wirtschaftlichkeit: Dabei gilt es außerdem, dem Wettbewerb standzuhalten und den Produktionsauftrag wahrzunehmen, um angemessene Entgelte zahlen zu können.
Am besten stellen sich Werkstattleitungen diesen drei Themen, wenn sie sie nicht losgelöst von einander angehen, sondern das eine mit dem anderen verzahnen. Hier ein paar Tipps für Ihr demografiefestes, BTHG-konformes und zukunftsfähiges Werkstattkonzept.
Werkstattkonzept: Personenzentrierung in Bildungs- und Förderangeboten umsetzen
Da WfbM Menschen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder am allgemeinen Arbeitsmarkt teilnehmen können, eine berufliche Beschäftigung und Bildung ermöglichen, sollte die personenzentrierte Ausrichtung vor allem die beruflichen Interessen der Werkstatt-Teilnehmer*innen berücksichtigen, wie es auch bei der Arbeitsplatzwahl auf dem ersten Arbeitsmarkt üblich wäre. Da im Produktionsbereich (noch) nicht immer der nötige Spielraum besteht, empfehlen wir Werkstätten im ersten Schritt, besonders ihren Berufsbildungsbereich zu entwickeln, um Fähigkeiten und Ressourcen der Teilnehmer*innen für eine Beschäftigung auch außerhalb der Institution differenziert zu erkennen und dann gezielt einzuleiten.
Für ein solches Konzept des Bildungsbereichs sind zwei Dinge wichtig:
- Modularisierung der Bildungsangebote in verschiedenen Berufsfeldern
- Weiterbildung der Fachkräfte für die binnendifferenzierte, berufsorientierte Qualifizierung der Teilnehmer*innen
Für die jeweiligen Berufsfelder (z. B. Hauswirtschaft, Garten- und Landschaftsbau, Lager und Logistik, Verpackung oder vieles mehr) können eigene Bildungsrahmenpläne im Sinne des BBiG entworfen werden, die wiederum in Module unterteilt werden, welche abermals aus einzelnen Einheiten bestehen. Eine so kleinteilige Struktur ermöglicht die Qualifizierung sowohl von Menschen mit sehr hohem oder sehr besonderem Unterstützungsbedarf als auch von solchen, die den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt anstreben. Eine Qualifizierung in diesem Rahmen ermöglicht außerdem die Abstimmung und Evaluierung der Maßnahmen und bildet somit eine Grundlage für den Wirksamkeitsnachweis. Überhaupt ist hier eine enge Abstimmung mit dem Kostenträger gefragt: Während die Agentur für Arbeit hier teils schon sehr konkrete Vorgaben macht, erstellen die Leistungsträger für den Arbeitsbereich derzeit noch die Pläne für die zukünftige Bedarfsermittlung sowie Förderung. Was wird zukünftig vom Fachkonzept der Werkstatt erwartet, wie wird das überprüft? NRW beispielsweise führt speziell für die Bedarfsermittlung in Werkstätten das BEI-NRW_Werkstatt ein.
Vielfalt, Digitalisierung und Vorrichtungsbau stärken
Auch in der Produktion der Werkstatt muss eine personenzentrierte Förderung umgesetzt werden. Auch das gehört ins Werkstattkonzept. Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, weil mit ihr auch neue Arbeitsformen in der Produktion möglich werden und neue Assistenzsysteme Arbeitsplätze schaffen. Darüber hinaus sollte der Vorrichtungsbau gestärkt werden. So können bei einem höher werdenden Anteil von Menschen mit sehr hohem Unterstützungsbedarf bzw. älteren Beschäftigten bestimmte Produktionsschritte weiter ausgeführt und komplexere Aufträge angenommen werden. Die Veränderungen in der Teilnehmerstruktur sollten ohnehin bei einem Konzept berücksichtigt werden. Die Förderung älterer Beschäftigter und deren Begleitung beim Übergang in den Ruhestand sind zentraler Bestandteil in einem demografiesensiblen Werkstattkonzept.
Werkstätten sollten sich auch nicht scheuen, ihr Portfolio auszuweiten, beispielsweise in den Dienstleistungssektor. Das sichert einerseits die Auslastung. Andererseits entstehen mehr Vielfalt für die Teilnehmer*innen und damit mehr Chancen für die Personenzentrierung und den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. In diesen Faktoren liegen Chancen sowohl zur Stärkung der Teilhabe als auch zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit.
Wir empfehlen hier eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem derzeitigen Angebot und möglichem Potenzial für eine Weiterentwicklung.
Grundhaltung muss sich ändern: Schulung der Mitarbeitenden
Personenzentrierung kann nur gelingen, wenn die Fachkräfte mitziehen. Deshalb muss die Grundhaltung in Werkstätten (wie auch sonst in der Eingliederungshilfe) grundlegend reflektiert werden. Schulungen des Werkstattpersonals sollten unbedingt im Zuge der Umstellungen durchgeführt werden. Was es braucht, ist eine Haltungsänderung („von der Fürsorge zur Teilhabe“) durch Weiterbildung und Horizonterweiterung. Das betrifft sowohl grundlegendes Fachwissen über die neue gesetzliche Lage als auch spezielles Wissen zum Beispiel über die Förderung der älterwerdenden Beschäftigten, beispielsweise hinsichtlich der Erkennung von Demenz-Symptomen bei Menschen mit einer geistigen Behinderung oder zum Umgang mit herausforderndem Verhalten.
Gemeinsam stark: Kooperationen anstreben
Kooperationen zwischen einzelnen Werkstätten bewähren sich schon seit einiger Zeit und gehören zu den effektivsten Maßnahmen, um die Auftragslage und die Wirtschaftlichkeit zu sichern. Sind es bisher eher persönliche Kontakte und das Netzwerk von Werkstattleitungen, die eine Zusammenarbeit unter WfbM prägen, so wird zukünftig eine digitale und vernetzte Lösung erforderlich, um die Logistik hinter solchen Kooperationen zu professionalisieren. Kooperationen müssen auch flächendeckend funktionieren, damit ländliche Anbieter nicht auf sich allein gestellt sind. Die Genossenschaft der Werkstätten für behinderte Menschen (GDW) kann eine Lösung sein, die regionale Abstimmung zwischen nahe liegenden Werkstätten eine andere. Gemeinsam erarbeitete Strukturen werden dann immer wichtiger.
Um Ressourcen zu sparen, können bei Werkstatt-Kooperationen bestimmte administrative Prozesse gemeinsam abgewickelt werden. Das QM, die Abrechnung, der Vertrieb, die Buchhaltung, das Controlling und das Marketing könnten zentral erfolgen. Ein weiterer Vorteil: Nach innen und nach außen treten die Partner einheitlich auf, was zu weiterer Professionalisierung beiträgt. Auch eine Zusammenlegung der Personalverwaltung und der Versorgung kann Kostensenkungen herbeiführen, um den begleiteten Menschen mehr Chancen zu geben.
,Drei‘ Fliegen mit einer Klappe
Die hier genannten Möglichkeiten, Ihre Werkstatt zukunftsfähig aufzustellen, sind selbstverständlich nicht vollzählig und nur exemplarisch. Wichtig ist aber, jetzt mit dem Konzept zu beginnen, denn davon hängt die Qualität der Teilhabe und letztendlich auch die Beauftragung und Refinanzierung der Werkstattleistung ab. Wenn man in dem Konzept die drei großen Themen – demografischer Wandel, Personenzentrierung und Wirtschaftlichkeit – nicht als sich gegenseitig ausschließende, sondern sich begünstigende Faktoren sieht, hat die WfbM großes Potenzial, den allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen teilhabeorientiert zu ergänzen.
Text: Marie Kramp/Bolko SeidelBirgitta Neumann
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