Was beschäftigt die Pflegebranche in diesem Jahr?

contec forum Fokusgruppe
Freitag, 21 Februar 2025 12:24

Wenn die Zahl drängender Themen kaum zu bändigen scheint, braucht es vor allem eins: Fokus. In den Themenfeldern Digitalisierung, Kultur, Finanzierung & Wirtschaftlichkeit sowie Organisation der Pflege lassen sich viele der Themen zusammenfassen, die die Pflegebranche aktuell bewegen. Doch was hat Priorität, worauf schauen wir zuerst? Wie können wir mit konkreten Ansätzen vorankommen? Und welche Prioritäten setzt eigentlich das Bundesgesundheitsministerium (BMG)?

Beim 21. contec forum beschäftigten sich die teilnehmenden Entscheider*innen der Branche in Fokusgruppen und im anschließenden Dialog mit Dr. Martin Schölkopf (BMG) mit genau diesen Fragen. Eine Live-Abstimmung vor Ort zeigte sehr deutlich: Während alle diskutierten Themen von großer Bedeutung sind für eine zukunftsfähige Pflege, drängen die existenziellen Fragen von Finanzierung & Wirtschaftlichkeit aus Sicht der Pflegeanbieter sowie aus Sicht des BMG am stärksten.

👉 Live entstanden beim 21. contec forum fasst das folgende „Graphic Recording“ den spannenden Themen-Austausch für Sie zusammen. „Was beschäftigt die Pflegebranche?“: Wenn Sie tiefer in die Themen einsteigen wollen, finden Sie im folgenden Text eine Übersicht der wichtigen Diskussionsthemen.

Graphic Recording 21. contec forum - Themensammlung

 

Fokus Digitalisierung: Robotik für Soziales, organisatorische Veränderungen

  • Die Fokusgruppe „Digitalisierung“ diskutierte intensiv über das Thema der sozialen Robotik und über die These, dass nur diese die soziale Dimension von Pflege und Unterstützung in Zukunft sichern könne. Der Bedarf einer ethischen Diskussion hierzu wurde einerseits vor Ort sehr greifbar – gleichzeitig formulierten die Teilnehmenden offen die Erkenntnis, dass diese „Denkrichtung“ durchaus zugelassen werden müsse, weil es in den gegebenen Bedingungen gar keine Option sei, sich davor zu verschließen.
  • Außerdem ging es um die These, dass der Erfolg digitaler Lösungen von organisatorischen Veränderungen abhänge und (inzwischen) weniger von der Technik. Die Runde stimmte überein, dass die Grundlagen von Handys bis zum W-LAN überwiegend inzwischen in Einrichtungen verfügbar seien, und es jetzt darum gehe, die Technik auch wirklich anzuwenden – inklusive einer Veränderung der Prozesse. Jetzt komme es auf die Nutzung an, darauf, dass die Mitarbeitenden digitale Möglichkeiten aktiv in den Alltag aufnehmen.

Fokus Kultur: Integration als Chefsache, hochwertige Ausbildung

  • Die Fokusgruppe „Kultur“ war sich einig, dass die Branche internationale Pflegekräfte anwerben muss, auch für die Ausbildung. Anstatt eines Forderungskatalogs an das BMG lautete eine Erkenntnis: Die Zuständigkeit für eine ganzheitliche und nachhaltige Integration müsse „Chefsache“ in Pflegeunternehmen sein und es müssten auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, damit eine Identifikation mit dem Unternehmen, dem Pflegeberuf und dem neuen Heimatort stattfinden kann. Hier seien Fördermittel für Maßnahmen rund um die Integration künftig eine wünschenswerte Unterstützung.
  • Die Gruppe stellte ebenfalls heraus, was es für die nachhaltige Arbeit mit internationalen Teams braucht: Die Pflegefachkraft-Ausbildung und die Tätigkeit in der Langzeitpflege müssten qualitativ so hochwertig werden, dass es für internationale Pflegekräfte wirklich erstrebenswert werde, in Deutschland zu arbeiten und auch zu bleiben.

Fokus Organisation der Pflege: Ergebnisse messen, selbst aktiv werden

  • Die Gruppe, die sich mit moderner Pflegeorganisation beschäftigte, kam zunächst zur Schlussfolgerung, dass die Umsetzung von neuen Ideen sich immer an ihrem Ergebnis messen lassen müsse: Führt die Neuerung zu einer effizienteren Arbeitsweise, einer höheren Zufriedenheit beispielsweise auch bei den Mitarbeitenden und schlägt sich das auch im Ziel guter pflegerischer Versorgung nieder?
  • Einen Konsens fand die Runde ebenfalls dahingehend, dass eine qualifikations- und bewohnendenorientierte Ablaufplanung auch jetzt schon teilweise ohne die Mehrpersonalisierung (nach § 113 c) möglich sei. Einrichtungen sollten sich daher dringend auf den Weg machen, die Rahmenbedingungen vor Ort zu schaffen – und nicht warten, bis der Umsetzungsdruck noch höher werde.

Fokus Finanzierung & Wirtschaftlichkeit: Überfällige Kernsanierung und mehr „Trust in Care“

  • Die Gruppe mit wirtschaftlichem Fokus kam zu dem klaren Ergebnis, dass das SGB XI dringend die schon länger geforderte Kernsanierung brauche – kein weiteres Nachbessern. Die Teilnehmenden verwiesen darauf, dass aus ihrer Sicht Vorschläge dazu in ausreichender Detailtiefe bereits seit langem vorlägen und man schnell ins Handeln kommen müsse – ohne Zeit für weitere Gutachten, Ideenpapiere etc. zu verwenden. Dabei war der Gruppe wichtig zu betonen, dass natürlich auch den Arbeitgebern gestalterische Verantwortung zukomme, die sie auch sehr gerne wahrnähmen, dass aber die notwendigen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden müssten.
  • Als zweiten Punkt rückte die Gruppe das notwendige Vertrauen in die Pflege in den Fokus, unter dem Motto „Trust in Care“, welches contec-Geschäftsführer Detlef Friedrich im Vorjahr geprägt hatte. Gemeint sei dabei kein bedingungsloses Vertrauen, aber eine „dramatische“ Entbürokratisierung, um überhaupt gut arbeiten zu können.
  • Die Gruppe ergänzte und unterstrich in der Ergebnisvorstellung die Ansicht, dass gemäß SGB XI die Verantwortung für die Versorgungssicherheit bei den Pflegekassen liege.

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Versuch einer Priorisierung – im politischen Dialog:

Die Ergebnisse der Gruppendiskussionen teilten die Gruppen mit dem Plenum und mit Dr. Martin Schölkopf, Leiter der Abteilung 4, Pflegeversicherung und Stärkung im BMG, der zu einzelnen Punkten Impulse und Einordnungen aus seiner Perspektive gab:

  • Zunächst stellte Dr. Martin Schölkopf positiv heraus, dass die Gruppen immer auch die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten der Pflegeanbieter fokussiert hatten, z. B. im Kontext der Pflegeorganisation. In puncto Digitalisierung sehe er durchaus noch Optimierungspotenzial bei der Refinanzierung. Die Bedeutung der Anwerbung internationaler Pflegekräfte unterstrich Schölkopf ebenfalls klar. Kultur sei hier in doppeltem Sinne wichtig, in den Einrichtungen und drumherum, aber natürlich auch in der gesamten Gesellschaft. Hier sei schon viel an den Rahmenbedingungen im Kontext der Einbindung internationaler Fachkräfte gearbeitet worden, es gebe aber weitere Potenziale für Verbesserung. Er motivierte die anwesenden Unternehmensverantwortlichen, die bereits bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen.
  • Das Thema „Finanzierung und Wirtschaftlichkeit“ machte auch Schölkopf klar zur Priorität. Es brauche ein Sofortprogramm mit Finanzierungsinstrumenten für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sowie eine schnelle Entscheidung darüber, wie dieses konkret aussehen solle. Hier gebe es bereits wichtige Vorarbeiten seitens des BMG. Im Kontext der Vorschläge einer Kernsanierung des SGB XI warb er um Anerkennung der Komplexität des Gegenstands und der Herausforderung einer wirklich radikalen Reform, z. B. mit einer Auflösung der Sektoren. Er äußerte sich daher eher skeptisch, ob diese Umstellung innerhalb einer Wahlperiode auf den Weg gebracht werden könne, sehe aber die darin enthaltene Perspektive und habe in dem Kontext auch eigene Ideen.
  • Die Sicherung der pflegerischen Versorgung für die Zukunft rückte er ebenso klar in den Fokus – mit konkreteren Maßnahmen, als es die Wahlprogramme zur Bundestagswahl hergäben. Es gehe um eine klare Formulierung der Zuständigkeiten der Akteur*innen – und dann eine verbindliche Übernahme der Verantwortung, was bisher nicht immer der Fall sei. Er koppelte daran auch die Fragestellung, was professionelle Pflege künftig leisten könne und welche Möglichkeiten u. a. im bürgerschaftlichen Engagement, im Bereich der Angehörigen und in anderen Angeboten wie z. B. Nachbarschaftshilfe mitzudenken seien.
  • Mit Blick auf die Kritik an der Regulierungsdichte äußerte Schölkopf einerseits Verständnis für den Wunsch nach Abbau von Bürokratie, verwies aber auch auf das Machtgefälle in der Dienstleistungserbringung der Pflege, die eine Überprüfung in gewissem Maße aus seiner Sicht notwendig mache. Ebenso müsse man immer dort ausreichend hinschauen, wo es um öffentliche Gelder gehe.

Start in ein entscheidendes Jahr

Was beschäftigt die Pflegebranche? Die Fokusgruppen und der politische Dialog zeigten deutlich, dass es jetzt auf die Weichenstellungen ankommt, die in den nächsten Monaten, auch im Zuge der anstehenden Koalitionsverhandlungen, vorgenommen werden – und dass es entschlossenes und schnelles Handeln rund um die Fragen von Finanzierung und Wirtschaftlichkeit der Pflege braucht. Gleichzeitig war beim 21. contec forum eine gewohnt anpackende Stimmung unter den Teilnehmenden zu spüren und die Bereitschaft, die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten der Pflegeanbieter bestmöglich zu nutzen.

Titelfoto: contec GmbH; Graphic Recording: Miriam Barton; Text: Linda Englisch

Eva Lettenmeier

Portrait von Eva Lettenmeier, Geschäftsbereichsleitung Pflegewirtschaft der contec

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