Strategische Nachfolgeplanung: So läuft’s in der Sozialwirtschaft

Zahlen, Daten, Fakten der strategischen Nachfolgeplanung
Mittwoch, 29 Juli 2020 10:24

Strategische Nachfolgeplanung Teil IV: In den ersten drei Teilen zum Thema „Strategische Nachfolgeplanung“ haben wir die Gründe und die sieben Phasen einer strategischen Nachfolgeplanung sowie die wichtigsten Maßnahmen und Tools des Executive Onboardings vorgestellt. Doch wie gestaltet sich aktuell die Lage zur Nachfolgeplanung in der Praxis? Welche Maßnahmen sind in der Branche etabliert? Für das in Kürze erscheinende Buch „Ihr Wechsel an die Spitze – Die ersten 100 Tage im Job – wie der Einstieg optimal gelingt“ hat conQuaesso® JOBS eine Umfrage mit 185 Top-Führungskräften durchgeführt, deren Wechsel an die Spitze noch nicht allzu lange her ist.

Als einen der Gründe für die strategische Nachfolgeplanung haben wir in Teil I die demografischen Besonderheiten in der Sozialwirtschaft herausgestellt: ein Ungleichgewicht von Menschen, die aus dem Berufsleben austreten, und jenen, die nachkommen sowie der Generationswechsel auf Führungskräfteebene aufgrund der ausscheidenden Baby Boomer. Die demografische Verteilung der Stichprobe der Umfrage spiegelt dieses Kennzeichen wider: Rund 35 Prozent der Teilnehmenden sind 58 Jahre oder älter und zählen zu eben jener Generation, die in den kommenden Jahren in den Ruhestand eintreten wird. Dagegen sind nur ca. drei Prozent jünger als 38 Jahre. Mit knapp 60 Prozent ist der Großteil der Befragten in der Geschäftsführung eines sozialen Unternehmens tätig, knapp 31 Prozent sind hauptamtliche Vorstände. Vor dem Hintergrund dieser branchenspezifischen Herausforderungen zeigt sich der akute Handlungsbedarf im Hinblick auf die strategische Nachfolgeplanung und mit ihr dem Executive Onboarding.

Welche Maßnahmen der strategischen Nachfolgeplanung nutzt die Sozialwirtschaft?

Die Umfrage beleuchtet auch die Frage, wie gut die Unternehmen der Befragten im Hinblick auf strategische Personalarbeit allgemein aufgestellt sind, zu der auch die Nachfolgeplanung zählt. Knapp die Hälfte (45 Prozent) gab an, dass es in ihrem Unternehmen keine Abteilungen im Bereich des strategischen Personalmanagements gebe. Mehr als ein Viertel sieht dies nur zum Teil gegeben bzw. verortet die strategische Personalarbeit als Teilbereich anderer Abteilungen. Angesichts des akuten Drucks, die Unternehmensnachfolge zu sichern, sollte der Prozess im Unternehmen insgesamt aber einen hohen Stellenwert einnehmen und konkret verortet sein.

Vorbereitung der strategischen Nachfolgeplanung

Gleiches gilt für die Vorbereitungsphase (Phase 1) der strategischen Nachfolgeplanung: Nur knapp 39 Prozent der Befragten gaben an, dass in ihrem Unternehmen eine Analyse und Konzeption des Nachfolgeprozesses durchgeführt wird. Dies ist im Hinblick auf die Relevanz der Nachfolgeplanung sehr wenig. Relativ gängig ist dagegen die Sicherung von funktionsbezogenem Wissen im Rahmen der Nachfolgeplanung. 62 Prozent der Befragten stimmten zu, dass in ihrem Unternehmen hierfür Maßnahmen ergriffen werden. Obwohl diese Sicherung von explizitem Wissen positiv zu verzeichnen ist, zeigt es eine andere Schwachstelle auf: Funktionsbezogenes Wissen ist verhältnismäßig gut zu identifizieren und abzubilden. Implizites Wissen, beispielsweise über die Unternehmens- und Entscheidungskultur einer Organisation, ist schwieriger festzuhalten – gehört aber ebenso zum A und O der Unternehmensübergabe. Dass bei der Bewahrung dieses Wissens Luft nach oben besteht, zeigen die Zahlen: Nur 44 Prozent der Teilnehmenden gaben an, das Wissen über bestehende Netzwerke (z. B. relevante Gremien, Arbeitskreise oder soziale Medien) zu sichern.

Die Abstimmung eines Anforderungsprofils (Phase 2) scheint mit knapp 65 Prozent Zustimmung bei den Teilnehmenden auf den ersten Blick hoch zu sein. Die Erfahrung zeigt, dass die passgenaue Besetzung einer Stelle am besten gelingt, wenn das Anforderungsprofil klar definiert ist. Dafür kann es auch hilfreich sein, verschiedene Personen wie Mitarbeitende oder die zweite Führungsebene in die Erstellung einzubeziehen. Außerdem erleichtert es das Auswahlverfahren (Phase 4), da es den Eingang unpassender Bewerbungen minimiert. Eine entsprechen Planung der zeitlichen und personellen Ressourcen ist für diesen Schritt ein entscheidender Faktor.

Maßnahmen und Instrumente des Executive Onboardings

Die Verantwortung für den Prozess der Einarbeitung sieht der Großteil der befragten Geschäftsführer*innen bei dem oder der direkten zukünftigen Vorgesetzten (knapp 73 Prozent). Nur 18 Prozent sehen das Aufsichtsgremium in der Pflicht. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Antworten der hauptamtlichen Vorständ*innen. Auch hier sehen die meisten Befragten die Verantwortung bei dem oder der zukünftigen Vorgesetzten (72 Prozent), aber immerhin 40 Prozent bei dem Aufsichtsgremium. Auch wir empfehlen, die Verantwortlichkeit für das Gelingen des Onboardings beim Aufsichtsgremium zu verorten.

Eine weitere bemerkenswerte Zahl bestätigt, dass die Umsetzung der Nachfolgeplanung eher punktuell als strategisch erfolgt: nur bei knapp über der Hälfte (52 Prozent) der Befragten kommt bei der Einarbeitung einer neuen Führungskraft ein strukturierter Einarbeitungsplan zum Einsatz. Der Einarbeitungs- bzw. Onboardingplan ist aber eines der wichtigsten Tools für die gelingenden ersten 100 Tage. Die Erarbeitung sollte bereits während der Vorbereitungsphase des Onboardings erfolgen.

Tatsächlich genutzt wurden bei den Befragten während ihrer Einarbeitung alle Instrumente eines Onboardings, allerdings in deutlich unterschiedlicher Ausprägung. Fast 94 Prozent der Befragten gaben an, Unternehmensinformationen wie das QM-Handbuch, Organigramme oder Unternehmensbilanzen bereitgestellt bekommen zu haben. Der Transfer von explizitem Wissen wird über diese Maßnahmen also in großem Umfang gewährleistet. Allerdings fällt auch hier auf, dass internes Wissen nur bedingt weitergegeben wird. Nur elf Prozent erhielten beispielsweise grafische Darstellungen von Wissensbeständen des Vorgängers oder der Vorgängerin. Demgegenüber scheinen die meisten Unternehmen viel Wert auf den Aspekt der Arbeitsinfrastruktur gelegt zu haben. Knapp 74 Prozent der Befragten gaben an, dass dies Teil ihrer Einarbeitung war.

Die Ergebnisse zeigen: Es ist noch Luft nach oben

Die Zahlen zeigen, dass bereits einige Maßnahmen für eine strategische Nachfolgeplanung umgesetzt werden. Aber sowohl in der Masse als auch in dem Zusammenspiel mit den anderen Maßnahmen besteht Verbesserungspotenzial. Die Branche, d. h. die hier befragten Führungskräfte, sehen durchaus die Notwendigkeit für eine geregelte Nachfolgeplanung, nur im tatsächlichen Gebrauch dieser Maßnahmen scheitert es noch. Dem Prozess sollte ein angemessener Stellenwert mit entsprechenden Ressourcen beigemessen werden. Dabei sollte der Fokus besonders auf dem Wissenstransfer sowie einer strukturierten Einarbeitung liegen.

 

In dem Buch „Ihr Wechsel an die Spitze – Die ersten 100 Tage im Job – wie der Einstieg optimal gelingt“ geben wir Ihnen dazu wertvolle Tipps. Darüber hinaus werfen wir einen Blick auf die Wünsche und Erwartungen der Führungskräfte an eine Nachfolgeplanung. Mit vielen Best Practices aus der Branche zeigen wir außerdem, wie die strategische Nachfolgeplanung gelingt.

Text: Lisa Ringele
© Goodluz/ Adobe Stock

Thomas Müller

Portrait von Dr. Thomas Müller, Geschäftsführer, der contec

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