Qualität im Bereich der stationären Kinder- und Jugendhilfe
Der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe steht aktuell vor neuen Herausforderungen. Insbesondere der Reformprozess des SGB VIII wird von den Akteuren zwar gespannt, aber auch verhalten-abwartend beobachtet. Welche Auswirkungen wird die Reform auf die Qualität der stationären Kinder- und Jugendhilfe haben? Die relevanten Grundthemen, die im Reformprozess vordergründig bearbeitet werden, sind:
- Kinderschutz und damit zusammenhängende Kooperationssysteme
- Inklusion, u. a. wirksame Leistungssysteme
- Fremdunterbringung und damit verbundene Stärkung der Kindesinteressen und der Familien
- Sozialraum(-orientierung)
Alle der vier Themenfelder werden langfristig darauf angewiesen sein, qualitative Arbeit sichtbar zu gestalten, um Wirksamkeit herzustellen. Die anstehende Reform befeuert daher zusätzlich die bereits bestehende Debatte in der Landschaft der Kinder- und Jugendhilfe: Wie sieht die Qualität in der Kinder- und Jugendhilfe aus? Die Diskussion um „gute Qualität“ berührt alle Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe, aktuell aber insbesondere die Akteure der stationären Hilfen zur Erziehung: Zwar wird die Qualitätssicherung und -entwicklung durch die §§ 79, 79a des SGB VIII gesetzlich geregelt, in der Praxis ruft die Qualitätsfrage allerdings weiterhin ungeklärte Fragen auf: Was bedeutet Qualität in den Einrichtungen und wie kann man sie sichtbar gestalten? So befassen sich die Einrichtungen der stationären Hilfen zur Erziehung in der Regel zwar mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung ihrer Qualitätsmanagementsysteme und tragen damit dazu bei, dass eigene interne Prozesse optimiert werden. Doch neben der Struktur- und Prozessqualität macht besonders die Ergebnisqualität einen wesentlichen Teil der sozialpolitischen Diskussion aus – denn die Qualität entscheidet sich letztendlich im Ergebnis der praktischen Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen.
Was bedeutet Qualität in der stationären Jugendhilfe?
Die Frage, was Qualität überhaupt bedeutet, wurde u. a. in einer Studie von Dr. Mike Seckinger vom Deutschen Jugendinstitut e. V. untersucht („Gute Heime – Möglichkeiten der Sichtbarmachung der Qualitäten stationärer Hilfen zur Erziehung“): In den ersten vorgestellten Ergebnissen der Studie wurde deutlich, dass das Thema der Qualität für die Akteure der Jugendhilfe ein breit aufgestelltes Feld ist – und dass selbst die eigene Vorstellung von qualitativer Arbeit nicht immer in Worte gefasst werden kann. Welche konkreten pädagogischen Interventionen sind wirksam? Besteht zum Verständnis von Qualität ein Konsens zwischen den verschiedenen Akteuren – mindestens den Leistungsträgern, Leistungserbringern und den leistungsberechtigten Personen? Der anhaltende Diskurs zeigt, dass hier in der Regel noch keine Übereinstimmung besteht. Oftmals sind die unterschiedlichen Akteure eher bemüht, aus der eigenen Sichtweise heraus bestimmte qualitative Kriterien zu wählen, deren Erfüllung sie weitestgehend erwarten.
Pädagogik ist wirksam – und muss sichtbar werden
Pädagogische Interventionen und deren Wirksamkeit können – nach Ergebnissen der Studie – auch von den agierenden Fachkräften nicht immer konkret benannt werden. Es scheinen Schwierigkeiten zu bestehen, über Qualität in der stationären Jugendhilfe als solche zu sprechen oder diese enger zu fassen. Dies bedeutet nicht, dass keine qualitative Arbeit geleistet wird. Es verdeutlicht aber, dass die Pädagogik als konkrete Interventionstechnik auch bei professionellen und langjährigen Fachkräften weiterhin als ‚weiche‘ Disziplin wahrgenommen wird.
Dabei ist die Evaluation und damit auch die konkrete Reflexion und Auswertung der erbrachten Leistungen für alle Akteure zielführend: Neben einem Legitimationsnachweis der fachlichen Leistungen können die Einrichtungen das methodische Vorgehen konzeptionell bearbeiten und damit ihr Profil in der Landschaft der Jugendhilfe schärfen. Auch für die Leistungsträger sind Nachweise über die Wirksamkeit von – oftmals öffentlich finanzierten – Maßnahmen nicht nur in der Außenwirkung transparenter, sondern haben langfristig auch Einfluss auf der kostenrelevanten Ebene. Einen Fokus bilden die Jugendlichen als leistungsempfangende Personen: Die persönlichen Entwicklungsschritte zu erkennen und selbstwirksames Handeln in Bezug auf die eigene Lebenssituation zu erleben, stellt, im Sinne des gesetzlichen Auftrags der Kinder- und Jugendhilfe, das anzustrebende Ziel aller Akteure sowie ein deutliches Ergebnis der qualitativen Arbeit dar.
Hilfeplanung als Instrument für die qualitative Arbeitsgrundlage
Für die erforderliche Wirkungsevaluation werden u. a. einheitliche Kriterien verlangt, um eine Messbarkeit und damit auch Überprüfbarkeit herzustellen. Qualität kann nur enger erfasst werden, wenn alle Beteiligten ein gemeinsames Bild zeichnen können: Was hat sich verändert? Welche Leistung war konkret hilfreich? Welche Fertigkeiten der leistungsbeziehenden Jugendlichen konnten gefördert und stabilisiert werden? Welche Bedingungen in der Umwelt sind förderlich oder gar hinderlich? In den stationären Hilfen zur Erziehung ist die Hilfeplanung eines der wichtigsten Instrumente, zum einen, um die Kostenübernahmen zu sichern, zum anderen, um die Ziele mit den Jugendlichen zu vereinbaren. Doch fungiert die Hilfeplanung auch als gelebtes Instrument zur konkreten Maßnahmenplanung und bildet damit die Arbeitsgrundlage der Fachkräfte? Die Hilfeplanung ist nur eine von vielen Stellschrauben, die Optionen schaffen kann, um den Rahmen für pädagogische Leistungen zu definieren und eine standardisierte Wirkungsevaluation zu erreichen. Der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe hat im Zuge dieser Qualitätsdebatte hierzu weitere Herausforderungen zu bewältigen, um die anstehenden Themenfelder – wie Inklusion und Kinderschutz – durch die Reform des SGB VIII nachhaltig, transparent und qualitativ zu bearbeiten.
Text: Susanne Lenz