PPR 2.0: Lösungen für Krankenhäuser – So meistern Sie die Herausforderung

Eine Krankenpflegerin spricht mit ihren Kolleg*innen
Montag, 30 September 2024 11:39

Die Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) soll die Qualität der Pflege in deutschen Krankenhäusern verbessern, indem der Personalbedarf genauer ermittelt und eine adäquatere Betreuung der Patient*innen sichergestellt wird. Doch die Umstellung auf die PPR 2.0 ist komplex, kostet Zeit und bringt Unsicherheiten – sowohl in personeller als auch in finanzieller Natur. In diesem Artikel beleuchten wir mit Philipp Tessin, Senior Berater für Krankenhäuser bei der conPrimo Strategieberatung, und Matthias Adler, Geschäftsbereichsleiter Gesundheitswesen, die größten Herausforderungen und wie Kliniken die erfolgreiche Umsetzung gelingen kann.

Mit der Einführung der PPR 2.0 wird in deutschen Krankenhäusern ein neues Kapitel aufgeschlagen, das viel Potenzial für Pflegequalität verspricht. Die Idee: Der tatsächliche Personalbedarf soll genauer erfasst und damit die Betreuung der Patient*innen spürbar verbessert werden. Klingt vielversprechend? Ja, aber…! Denn neben der Vorfreude auf mehr Entlastung des Pflegepersonals mischen sich auch Unsicherheiten – vor allem, was die Umsetzung betrifft. Wer muss was dokumentieren? Und wie soll der Personalbedarf bei dem allgemeinen Fachkräftemangel in der Pflege gedeckt werden? Die Antworten stehen noch aus, doch eines ist klar: Die PPR 2.0 bringt Bewegung ins System.

Frischer Wind für die Pflege – doch der Weg bleibt holprig

Eine der größten Hürden auf dem Weg zur erfolgreichen Umsetzung der PPR 2.0 ist der gestiegene Personalbedarf. Um die neuen Vorgaben zu erfüllen, brauchen die Krankenhäuser vor allem in der direkten Patientenversorgung mehr Pflegekräfte. „Viele unserer Kunden rechnen nach der Einführung der PPR 2.0 mit einem zusätzlichen Personalbedarf von 15 bis 20 Prozent“, erklärt Philipp Tessin, Senior Berater bei der conPrimo Strategieberatung. Doch gerade in einem ohnehin angespannten Arbeitsmarkt stellt das Krankenhäuser vor große Herausforderungen: Selbst wenn sie bereit sind, mehr Personal einzustellen, fehlen schlicht die qualifizierten Fachkräfte.

Hinzu kommt der erhöhte Dokumentationsaufwand. „Pflegekräfte müssen nun täglich detailliert festhalten, wie hoch der Pflegebedarf für jede einzelne Patientin und jeden einzelnen Patienten ist“, so Tessin weiter. Die Folge: Mehr Bürokratie, die wertvolle Zeit kostet – Zeit, die eigentlich für die direkte Pflege gebraucht wird.

Darüber hinaus bleibt auch die finanzielle Lage vieler Kliniken angespannt. Einige Einrichtungen befürchten, dass sie die strengen Personalvorgaben nicht erfüllen können, was finanzielle Einbußen oder sogar Sanktionen nach sich ziehen könnte. Damit würde sich der Druck auf ohnehin knapp bemessene Budgets noch weiter erhöhen. „Aktuell sind noch keine Sanktionen für die Nicht-Einhaltung von PPR 2.0 definiert worden. Diese sollen – nach dem Willen des Gesetzgebers – noch bis Ende 2024 festgelegt werden und ab dem 1. Januar 2025 gelten“, erläutert Matthias Adler, Geschäftsbereichsleiter Gesundheitswesen und Mitglied der Geschäftsleitung. „Die Sanktionen werden additiv oder alternativ zu den bisherigen Sanktionen für die Nicht-Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen die ohnehin schwierige Situation in der Krankenhausfinanzierung weiter belasten. Da der Ausgang und die Umsetzung bisher noch offen sind, erwarten wir für die Häuser einen ‚heißen Herbst und eine unruhige Weihnachtszeit‘, da die Verordnungen direkt ab dem 1. Januar gelten sollen.“

Personalmangel im Fokus: Wer soll das stemmen?

Das Kernproblem bleibt der Personalmangel.  Die Umsetzung der PPR 2.0 verlangt von Klinikbetreibern nicht nur neue Strategien, sondern vor allem eine präzise Personalplanung und eine deutliche Anpassung des Bedarfs. Viele Krankenhäuser haben bislang auf Grundlage der Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) kalkuliert. Nun müssen diese Berechnungen an die neuen Anforderungen der PPR 2.0 angepasst werden – ein aufwändiger und zeitraubender Prozess, der detaillierte Analysen erfordert.

Doch selbst wenn Kliniken ihre Planungen erfolgreich abschließen, bleibt die große Frage: Woher kommen die dringend benötigten Pflegekräfte? Zwar gibt es Überlegungen, die Lücken durch Hilfskräfte zu schließen, doch auch diese müssen sorgfältig geschult und in die komplexen neuen Abläufe integriert werden. Dies bedeutet zusätzlichen Aufwand und Ressourcen, die oft schon jetzt knapp sind. Das Ergebnis: Eine doppelte Belastung für die bereits im Einsatz befindlichen Pflegekräfte, die noch mehr Verantwortung schultern müssen, während die Sorge vor möglichen Sanktionen bei Nichteinhaltung der Vorgaben über allem schwebt.

Gleichzeitig müssen Krankenhäuser auch ihre internen Prozesse anpassen, um den erhöhten Dokumentationsanforderungen gerecht zu werden. Arbeitsabläufe effizienter gestalten, neue Technologien oder Software einführen – all das ist nötig, um den Pflegekräften die tägliche Arbeit zu erleichtern. Doch diese organisatorischen Veränderungen bringen auch Herausforderungen mit sich. „Während die Pflegekräfte mehr Zeit in die Dokumentation investieren müssen, leidet die direkte Patientenversorgung darunter – eine paradoxe Folge eines Systems, das eigentlich die Pflegequalität verbessern soll“, erklärt Philipp Tessin.

Mit klarem Plan zum Erfolg: So meistern Kliniken die PPR 2.0

Der Schlüssel zum Erfolg der PPR 2.0 liegt in einer gezielten Personalbedarfsberechnung und -analyse. Mit einem klaren Blick auf den aktuellen Stand können Krankenhäuser ihren zukünftigen Bedarf besser planen. Wichtig ist dabei, die Vorgaben der PPR 2.0 in allen relevanten Bereichen zu erfassen und den Personalbedarf anhand der bisherigen Belegungszahlen nach PPUG zu vergleichen. „Auch wenn für Intensivstationen noch keine genauen Berechnungsverfahren existieren, sollten Kliniken den voraussichtlichen Mehrbedarf nicht außer Acht lassen und sich an den Zahlen anderer Stationen orientieren“, empfiehlt Philipp Tessin. Zudem sollte der Krankenstand des Pflegepersonals in die Planung mit einfließen – so wird das Bild vollständiger und realistischer.

Eine weitere wichtige Rolle spielt die Datenqualität. Nur wenn die erfassten Informationen konsistent und korrekt sind, kann die PPR 2.0 ihr volles Potenzial entfalten. „Oft sehen wir, dass uneinheitliche Datensätze die Berechnungen erschweren. Deshalb setzen wir auf maßgeschneiderte Kalkulationsmethoden, um die Daten zwischen den Häusern vergleichbar zu machen“, erklärt Tessin. So lässt sich nicht nur der Personalbedarf präziser ermitteln, sondern auch die Ressourcenverteilung effizienter gestalten.

Aber auch bei der Personalbeschaffung braucht es frischen Wind: Krankenhäuser müssen neue und innovative Wege finden, um qualifizierte Pflegekräfte und Hilfskräfte zu gewinnen. Attraktive Weiterbildungsprogramme und flexible Arbeitszeitmodelle sind dabei nur zwei mögliche Strategien.

Fazit: PPR 2.0 – Zwischen Herausforderung und Chance

Die PPR 2.0 legt den Grundstein für eine präzisere Personalplanung und verspricht langfristig eine spürbare Verbesserung der Pflegequalität in deutschen Krankenhäusern. Auch wenn der Weg dorthin steinig sein kann, bieten sich enorme Chancen, um den Pflegealltag zukunftssicher zu gestalten. Mit der richtigen Strategie und gezielter Vorbereitung können Kliniken nicht nur die Herausforderungen bewältigen, sondern auch aktiv von den Vorteilen der Reform profitieren.

„Die PPR 2.0 birgt ein großes Potenzial, erfordert aber vorausschauendes Handeln und eine fundierte Planung“, betont Philipp Tessin. Wer sich frühzeitig mit den neuen Vorgaben auseinandersetzt, kreative Lösungen findet und den Wandel aktiv gestaltet, hat die Möglichkeit, den Pflegebereich nachhaltig zu stärken – zum Wohl der Patient*innen und des Pflegepersonals. „In jedem Fall lohnt es sich, genauer hinzuschauen, denn der Mix aus PPR 2.0 im Tagdienst auf Normalstationen sowie PPUGV im Nachtdienst und flächendeckend auf Intensivstationen bringt in der Personaldisposition viele Chancen und Risiken mit sich.“

„In Verbindung mit den Entgeltverhandlungen und der ab 2025 veränderten Berechnung des Pflegebudgets ergeben sich zahlreiche Herausforderungen für die Kliniken, die wir mit unserem Experten-Team gern unterstützen“, fasst Matthias Adler zusammen.

 

Matthias Adler berät als Mitglied der Geschäftsleitung der contec GmbH Unternehmen, Konzerne und Komplexträger insbesondere zu Strategie-, Reporting- und Finanzierungsthemen.

Philipp Tessin verfügt als Senior Berater über rund zwölf Jahre Berufserfahrung als Pflegedirektor in verschiedenen Krankenhäusern.

Text: Katharina Ommerborn
© Yuri A./shutterstock

Matthias Adler

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