Personaleinsatzplanung mit Künstlicher Intelligenz
Innovation IV. Der Pflegepersonalmangel wirft neben Fragen der Personal- und Nachwuchsgewinnung sowie der richtigen Personalbemessung auch die Frage auf, ob das vorhandene Personal sinnvoll eingesetzt wird. Die Nutzung Künstlicher Intelligenz in der Personaleinsatzplanung hat möglicherweise das Potenzial, wertvolle Ressourcen freizugeben und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu steigern. Das Forschungsprojekt KI-PEPS widmet sich dem Thema mit dem Fokus auf die Pflege im Krankenhaus.
Personaleinsatzplanung ist zunehmend herausfordernd und komplex. Besonders im Bereich der ,Engpasskapazität Führungspersonal‘ bindet die operative Personaleinsatzplanung und -steuerung (PEPS) oft einen hohen Anteil an Ressourcen. Es drängt sich die Frage auf, ob diese Ressourcen und auch Fähigkeiten nicht sinnvoller für andere Leitungsaufgaben genutzt werden sollten – und könnten. Außerdem sorgt eine gute Dienstplanung unter den richtigen Rahmenbedingungen für einen effizienten Arbeitseinsatz der Pflegekräfte. Daher lohnt es sich umso mehr, Optimierungsmöglichkeiten zu suchen.
Gleichzeitig gibt es einen kontinuierlichen Fortschritt im Bereich der Künstlichen Intelligenz und ihrer Anwendungsmöglichkeiten. Es liegt also nahe, zu fragen, ob KI-gestützte Verfahren den Prozess der Personaleinsatzplanung unterstützen oder sogar übernehmen könnten. Dabei werden zwei Ansätze verfolgt: Erstens lernen die Systeme selbstständig, indem sie mit Dienstplänen aus der Vergangenheit ,gefüttert‘ werden und so Muster erkennen. Dieses selbstständige Lernen wird zweitens dadurch unterstützt, dass die Systeme mit Erkenntnissen über eine gute Dienstplanung ,informiert‘ werden. Ein so trainierter Algorithmus sammelt Erfahrungen und lernt, eigene Vorschläge für die Dienstplanung zu machen.
Im Idealfall könnte eine KI neben der Ressourcenschonung bei den Leitungskräften auch die Dienstplanung dahingehend verbessern, dass die Mitarbeitenden profitieren und ihre Arbeitsqualität und -zufriedenheit gesteigert wird. Das gilt insbesondere dann, wenn komplexere Informationen verarbeitet werden als ein Mensch es leisten könnte. Letztlich kommt das auch den Patient*innen zugute.
Gefördertes Forschungsprojekt KI-PEPS
Diesem vielversprechenden Ansatz geht ein Konsortium im Rahmen des zweijährigen Forschungsprojekts KI-PEPS mit einem Fokus auf die Personaleinsatzplanung für die Pflege im Krankenhaus nach. Gefördert wird das Projekt von der Europäischen Union und dem Land Nordrhein-Westfalen. Das Konsortium besteht aus der Bochumer Pradtke GmbH, deren Dienstplanungssoftware im Krankenhauswesen weitverbreitet ist, dem Bochumer Institut für Technologie (BO-I-T) mit Expertise im Maschinellen Lernen sowie der contec GmbH, die das Fach- und Methodenwissen zur Gestaltung einer guten und gesunden Dienstplanung in der Pflege einbringt.
Die Beteiligten stellen zunächst die Frage: Was macht überhaupt einen guten Dienstplan aus? Neben der Auswertung (arbeits-)wissenschaftlicher Erkenntnisse und gesetzlicher Rahmenbedingungen sind die direkten Informationen der Prozessbeteiligten hierbei zentral. Parallel zu dieser Entwicklung von „Gütekriterien“ für die Dienstplanung erfolgt die Forschung an geeigneten KI-Verfahren und die technische Entwicklung der Planungssoftware.
Personaleinsatzplanung: „Plan hinter dem Plan“
Die Dienstplanung wird von diversen Faktoren beeinflusst. Das Rahmenwerk bilden u. a. gesetzliche Aspekte, Betriebsvereinbarungen, das Schichtsystem der Station, zum Teil gesetzlich vorgeschriebene Besetzungsstärken sowie die Anzahl der verfügbaren Pflegekräfte bzw. deren jeweilige Stundenkontingente. Dazu kommen (arbeits-)wissenschaftliche Empfehlungen, beispielsweise zur Frequenz von Schichtwechseln oder zur Nachtarbeit. Das Rahmenwerk allein sorgt also bereits für einen hohen Komplexitätsgrad.
Nach den ersten Gesprächen mit Stations- und Pflegedienstleitungen lässt sich aber eine weitere Herausforderung besonders hervorheben. Diese gilt es zu meistern, wenn eine KI-gestützte Planungssoftware erfolgreich sein soll. Es handelt sich um den „Plan hinter dem Plan“. Er fasst all die Informationen zusammen, die nirgendwo als harte Fakten niedergeschrieben stehen. Sie sind vielmehr implizites Wissen der Planer*innen.
Aus betrieblicher und Patient*innen-Perspektive kommt es zwar auf den ersten Blick vor allem darauf an, dass ,der Laden läuft‘. Das heißt, dass die Station ausreichend besetzt ist und funktioniert. Für die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden ist es aber wichtig, dass ihre individuellen Bedürfnisse, Lebensumstände sowie Fähigkeiten ebenso in die Planung einfließen. Beispielsweise können Alleinerziehende oder Mitarbeitende mit pflegebedürftigen Angehörigen andere Ansprüche an die Dienstplanung haben als alleinlebende Singles. Auch die Frequenzen von Schichtwechseln empfinden Mitarbeitende sehr individuell als positiv oder negativ.
Geeignete Schichtzusammensetzungen mit Blick auf Erfahrung und Alter sowie geeignete Schichtfolgen im Sinne der Sicherstellung des Informationsflusses gehören ebenfalls zum „Plan hinter dem Plan“. Die verschiedenen weichen Faktoren sind den Dienstplaner*innen in der Regel bekannt und fließen – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – in die Planung ein. Insgesamt moderieren Dienstplaner*innen die Interessen von Patient*innen, Betrieb und Mitarbeitenden.
Dienstplanung: Instrument der Mitarbeiterbindung und -gewinnung
Es muss gelingen, dass eine KI nicht nur eine automatisierte Dienstplanung im Rahmen der gesetzlichen und betrieblichen Vorgaben leistet, sondern darüber hinaus lernt, die ,weichen Faktoren‘ und Interessen zu berücksichtigen. Dann kann das Forschungsprojekt KI-PEPS einen wichtigen Beitrag leisten. Die zeitliche Entlastung der Leitungskräfte bzw. die Freisetzung ihrer Ressourcen und Fähigkeiten für andere Leitungsaufgaben, aber auch die Steigerung der Arbeitszufriedenheit und Akzeptanz der Planung bei den Mitarbeitenden (bei ,objektiv guter‘ Dienstplanung) sind möglich.
Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse sind aber auch unabhängig von einer Softwarelösung wertvoll für die Dienstplanung und können zur Zufriedenheit der Pflegekräfte beitragen. So haben die teilnehmenden Krankenhäuser gute Erfahrungen damit gemacht, die Verantwortung der Planung im Hinblick auf Diensttausch und Wochenenddienste auf das Team zu übertragen. Ein weiteres Plus für die Mitarbeitenden: Ausfallkonzepte sorgen für mehr Dienstplanstabilität. Voraussetzung ist die Einführung von Springerpools und/oder Jokerdiensten, also eine bewusste Überplanung für den Ausfall. So wird das Ausfallmanagement direkt mitgeplant und das ,Holen aus dem Frei‘ verringert.
Dienstplanung kann ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Instrument der Mitarbeiterwertschätzung und somit auch der Mitarbeiterbindung und -gewinnung sein. Das setzt voraus, dass die Mitarbeitenden im Fokus stehen. Durch einen Perspektivwechsel auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden (z. B. durch die Gestaltung der Candidate und Employee-Journey) kann eine gute Dienstplanung bereits ohne KI die Arbeitgeberattraktivität steigern. Es lohnt sich also, auf Personaleinsatzplanung als Zukunftsinvestition zu setzen.
Text: Benjamin Herten, Nico Dahm Titelbild: Jacob LundNico Dahm
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