Wie Sie offene Forderungen vermeiden und Erlöse sichern
Wenn Pflegeeinrichtungen sich mit vielen offenen Forderungen auseinandersetzen müssen, richtet sich der Blick oft nur darauf, das Mahnwesen und das Forderungsmanagement an sich zu verbessern. Das ist richtig und wichtig, sollte aber nicht der einzige Schritt sein. Wir empfehlen: Nehmen Sie auch von Anfang an Ihren Aufnahmeprozess für Kund*innen kritisch unter die Lupe. Viele offene Forderungen lassen sich so von vornherein mit wenigen Maßnahmen ganz vermeiden.
- 1. Schon beim Einzug offene Forderungen vermeiden
- 2. Kleine Maßnahmen, große Wirkung – das ist zu tun
- 3. Im Schulterschluss zwischen Aufnahme und Verwaltung
- 4. Erlöse sichern – wertebasiert, kundenorientiert und fair
Offene, gar uneinbringliche Forderungen sind für Pflegeeinrichtungen und -träger nicht nur ärgerlich und verursachen Mehrarbeit für Mitarbeitende in Pflege und Verwaltung. Sie sind auch ein wirtschaftliches Risiko. Sie zu minimieren ist ein wichtiger Bestandteil der Erlös- und Liquiditätssicherung, gerade im Zuge der sich verschärfenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, denen sich Pflege- und Betreuungsanbieter ausgesetzt sehen.
Wir treffen in der Praxis immer wieder auf hohe Bestände an offenen Posten, hohe Einzelwert- und Pauschalwertberichtigungen sowie Forderungsausbuchungen. In diesem Beitrag teilen wir daher praxisbewährte Maßnahmen mit Ihnen, die vor allem bereits vor dem Mahnwesen und Forderungsmanagement ansetzen.
ℹ️ Dieser Beitrag nimmt Träger stationärer Pflegeeinrichtungen in den Fokus. Die Thematik ebenso wie der präventiv gedachte Ansatz sind aber auch für Unternehmen der Eingliederungshilfe relevant, die hiermit durch die Kostenträgerstruktur und den damit niedrigen Selbstzahler-Anteil bisher wenig konfrontiert waren. Denn: Im Zuge des BTHG ändert sich dies grundsätzlich. Auch für Träger der Kinder- und Jugendhilfe, bei denen z. B. im Bereich von Elternbeiträgen in Kitas Selbstzahler-Strukturen etabliert sind, ist das Thema relevant.
1. Schon beim Einzug offene Forderungen vermeiden
Das eigene Mahnwesen und Forderungsmanagement zu optimieren, ist für Pflegeeinrichtungen ein notwendiger und sinnvoller Schritt. Es braucht einen klaren Prozess und klare Verantwortlichkeiten sowie Personen, die mit den notwendigen Kompetenzen und Erfahrungen ausgestattet sind. Ziel ist immer eine schnelle, kundenorientierte, aber auch rechtssichere Reaktion auf ausbleibende Zahlungen.
Mit einem, strukturierten, nachhaltigen Mahnwesen sowie Forderungsmanagement lässt sich in der Regel vermeiden, dass offene Forderungen entstehen und durch eine Verbesserung der Forderungsreichweite, der Days Sales Outstanding (DSO), ein aktiver Liquiditätsvorteil schaffen. Forderungsausfälle werden vermieden.
Schaut man sich genauer an, wo die Probleme entstehen, zeigt sich auch, dass sich diese zum Teil bereits an der Wurzel packen und vermeiden lassen: Der strukturierte Prozess der Aufnahme Bewohnender in der Pflegeeinrichtung ist die Grundlage für möglichst geringe offene Posten – oder besser gesagt: für deren Vermeidung ab Leistungsbeginn.
Der Prozess stellt in der Einrichtung die Weichen für eine gute Aufnahme, eine erfolgreiche Abrechnung und ein nachhaltiges Forderungsmanagement. Sie schaffen hier zudem eine Voraussetzung, um mögliche weitere differenzierte Leistungen, wie z. B. Wahlleistungen, erbringen und abrechnen zu können.
Ein guter Prozess bedeutet zudem weniger Verwaltungsaufwand für Bewohnende bzw. Betreuende wie auch für die Unternehmen. Im Unternehmen lassen sich insbesondere Sozialdienst oder operatives Personal sowie Leistungsabrechnung/Buchhaltung entlasten – was der Zufriedenheit der Mitarbeitenden zugutekommt.
2. Kleine Maßnahmen, große Wirkung – das ist zu tun
Wir empfehlen Ihnen, vor diesem Hintergrund einen kritischen Blick auf Ihren Prozess zur Aufnahme von Kund*innen zu richten. Diesen können Sie dann durch einige verbindliche Maßnahmen standardisieren und damit optimieren.
Einzugsentscheidung verbindlich regeln
Richten Sie zunächst den Blick darauf, wie in Ihrer Einrichtung bzw. innerhalb Ihres Trägers Einzugsentscheidungen verlaufen und welche Regelungen es hierzu gibt. Wir empfehlen Ihnen, folgende Aspekte zu fokussieren und aktiv zu gestalten:
- Feste Verantwortlichkeiten bei der Aufnahme von Kund*innen
- Verbindliche Vorgaben für einen einheitlichen Aufnahmeprozess, wobei der Fokus auf der Erfassung der Daten der Zielgruppe und auf den angebotenen Leistungen liegt
- Klarheit über die Entscheidungsverantwortung und Prozessabläufe für Sonderfälle und Ausnahmen
- Fester Rahmen/Ablauf für Hausbegehungen (ggf. nach Pflegegrad differenziert)
- Standardisierte Beratung der Interessierten mit Informationen zur Finanzierung
- Nachhalten von zu erbringenden Dokumenten und Beantragungen, insbesondere unterschriebener Vertrag
Die Erfahrung zeigt: Es lohnt sich, verbindliche Regelungen für die Einzugsentscheidung, in Abstimmung mit allen Beteiligten, zu schaffen, diese schriftlich festzuhalten und allen Beteiligten transparent zu kommunizieren. Das schafft Orientierung und gibt Klarheit im Handeln und in der Zusammenarbeit.
Zahlungsmodalitäten bei der Aufnahme klären
Um späteren offenen Forderungen vorzubeugen, muss die Finanzierung der zu erbringenden Leistungen bereits bei der Aufnahme – vor dem Einzug neuer Bewohnender – eindeutig geklärt werden. Die Vermögensverhältnisse sind hier miteinzubeziehen.
? Zeigt sich im Zuge der Aufnahmegespräche, dass fortan Sozialhilfe benötigt wird, ist es wichtig, den neuen Bewohnenden oder betreuenden Angehörigen an dieser Stelle bereits eine Begleitung beim Sozialhilfeantrag anzubieten. Für eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Anbieter und dem jeweiligen Kostenträger kann eine Entbindung von der Schweigepflicht sinnvoll sein.
Folgende zwei Maßnahmen sind zudem notwendig, um Forderungen zu begleichen:
Rentenabtretung
Die Rente ist ein zentraler Bestandteil des Eigenanteils von Selbstzahlenden. Daher ist es wichtig, bei allen Bewohnenden, die eine Rente oder mehrere erhalten, die Rentenabtretung aller Renten zwingend im Aufnahmeprozess zu verankern.
? Sie werden möglicherweise Vorbehalten der Bewohnenden bzw. der betreuenden Personen begegnen. Die richtige Kommunikation ist entscheidend: Denn es gibt tatsächlich keinen haltbaren Grund für Kund*innen, die Rente nicht direkt an die Einrichtung abzuführen: Die Rente ist unmittelbar einzusetzen, um Forderungen aus dem Betreuungsvertrag zu begleichen. Sollte der genannte Grund dagegen beispielsweise sein, dass laufende Ausgaben wie die Miete des Partners/der Partnerin nicht gedeckt werden können, sind die Rentenabtretung und die Begleitung bei der Sozialhilfe gerade dann besonders wichtig. Die Renten sind personenbezogen zu verwenden.
SEPA-Lastschriftverfahren
Der Einzug der Forderungen durch ein SEPA-Lastschriftverfahren ist ebenfalls eine zentrale Voraussetzung. Überweisungen bieten Potenzial für Fehler, Versäumnisse und für offene Posten. Alle manuellen Buchungen verursachen damit Arbeitsaufwand.
? Mögliche Sorgen mit Blick auf strittige Forderungen können Sie Bewohnenden bzw. Betreuenden dabei im Gespräch schnell nehmen: Sollte eine Forderung strittig sein, kann dem SEPA-Einzug bei der Bank immer widersprochen werden, sodass das Geld zurückgebucht wird.
Digitale Umsetzung mitdenken
Für die Erfassung von Interessierten oder neuen Bewohnenden ist es wichtig, ein verbindliches System zu vereinbaren: Pflegeeinrichtungen sollten ein digitales Tool nutzen und alle Dokumente von der Interessentenerfassung, über den unterschriebenen Vertrag bis zu den Kostenbescheiden einem individuellen Kund*innen-Profil hinterlegen. Dies macht manuelle Erfassungen und Ablagen überflüssig – und ist bei den meisten gängigen EDV-Lösungen für Einrichtungen bereits möglich.
Um den Aufnahmeprozess zu standardisieren, ist es ratsam, alle relevanten Stammdaten als Pflichtangaben zu erfassen (u. a. betreuende bzw. bevollmächtigte Person, Pflegekasse, IK Nummer) und die relevanten Dokumente (u. a. unterschriebener Wohn- und Betreuungsvertrag, Bescheid der Pflegekasse, Rentenbescheid) dort in digitalisierter Form einzupflegen.
? Machen Sie die Aufnahme der digitalisierten Dokumente zu einem verpflichtenden Arbeitsschritt. Die Dokumente müssen dann entsprechend vor dem Aufnahmetag digital vollständig vorliegen.
Das Ergebnis: Standardisierte Aufnahme
Wenn Sie durch diese Maßnahmen wichtige Grundlagen im Zuge der Aufnahme sichern, lässt sich bereits eine Vielzahl an möglichen Fehlerquellen bis zur Vertragsunterzeichnung vermeiden.
- ✔️ Die Stammdaten der Kund*innen werden erfasst,
- ✔️ die notwendigen Voraussetzungen wie Kosten- und Rentenbescheide plus Beantragung der Abtretung liegen vor,
- ✔️ SEPA-Mandate sind unterschrieben,
- ✔️ die mögliche Beantragung der Kostenübernahme durch Kund*innen oder Betreuende wird durch die Sozialdienste begleitet,
- ✔️ die Abrechnung der Kosten erfolgt monatlich.
3. Im Schulterschluss zwischen Aufnahme und Verwaltung
Eine gute Zusammenarbeit zwischen der operativen Ebene, die die Aufnahme neuer Bewohnender in der Praxis durchführt, und den zuständigen Bereichen der Verwaltung (Leistungsabrechnung/Buchhaltung) ist die Grundvoraussetzung, um offene Forderungen in Zukunft deutlich zu reduzieren. Der Prozess muss zwischen den beteiligten Personen gut abgestimmt sein.
Es sollte u. a. für jeden Prozessschritt klar verankert sein, wer die Ausführungs- und wer die Ergebnisverantwortung trägt. Legen Sie den Prozess auch schriftlich für alle einsehbar fest und schulen Sie die beteiligten Abteilungen. In vielen Organisationen sind die Verfahren zur Erlössicherung wenig etabliert und entsprechen nicht der bisherigen Unternehmenskultur. Dies gilt z. B. für das gerichtliche Mahnwesen. Es hat sich außerdem bewährt, nicht nur die „To-dos“ sondern auch „No-Gos“ klar festzulegen, um Abweichungen zu vermeiden. Musterschreiben zur Nutzung in den einzelnen Schritten unterstützen den reibungslosen Ablauf.
Darüber hinaus ist die regelmäßige Kommunikation erfolgsentscheidend. Schaffen Sie hierfür geeignete Kommunikationsformate, die den engmaschigen Austausch sicherstellen und das Verständnis aller beteiligten Akteur*innen fördern.
4. Erlöse sichern – wertebasiert, kundenorientiert und fair
Die Erlössicherung, das Forderungsmanagement und insbesondere ein gerichtliches Mahnverfahren, so erleben wir es in der Praxis, sind für viele Träger kein selbstverständlicher Weg. So beschleunigt beispielsweise ein gutes Mahnwesen auch das Kostenübernahmeverfahren im Sozialamt/bei den Kommunen, was dann Bewohnenden und Pflegeunternehmen gleichermaßen zugutekommt. Das Thema führt dennoch immer wieder zu internen Fragestellungen und Diskussionen – und einer vermeintlich schwierigen Auseinandersetzung mit den eigenen Werten.
Hier gilt es, das wertebasierte Handeln zu sichern, dieses jedoch auch mit der notwendigen Sicherung der Entgelte in Einklang zu bringen. Dafür sollte die Kommunikation im ganzen Prozess grundsätzlich immer kundenorientiert verlaufen und das Vorgehen verhältnismäßig gewählt werden.
Offene Forderungen wegen fehlender Klärung beim Einzug oder administrativer Fehler sind unbedingt zu vermeiden…
- im Sinne der Bewohnenden (Selbstzahlende), denn so gewährleisten Sie die Gleichbehandlung mit Blick auf diejenigen, die ihre Rechnungen begleichen,
- mit Blick auf die Mitarbeitenden, denn so sorgen Sie dafür, dass die erbrachte Leistung auch entsprechend vergütet wird,
- und gesamtwirtschaftlich, da es für die Einrichtung, einfach gefasst, unerlässlich ist, das Geld auch einzunehmen, das verdient wird.
Auch vor dem Hintergrund eines wertebasierten Handelns ist ein präventiver Ansatz, wie in diesem Beitrag beschrieben, ein entscheidender Vorteil: Viele als schwierig empfundene Auseinandersetzungen können von Anfang an vermieden werden. Vielmehr etablieren Sie eine partnerschaftliche Kommunikation, in der die Bewohnenden und ihre Angehörigen stets begleitet werden.
Ausblick: Offene „Altlasten“ aufarbeiten? Drohende Verjährungen hemmen? Ihr Mahnwesen aufbauen? In Kürze lesen Sie hier mehr zum Thema!
Bleiben dennoch einmal Forderungen offen, ist Ihr strukturiertes Forderungsmanagement ein notwendiges Werkzeug. In zu bestimmenden Stufen erfolgt ein Mahnwesen, um dann bei Notwendigkeit auch in das gerichtliche Forderungsmanagement überzugehen. Wie Sie die richtigen Strukturen und Prozesse dafür implementieren, lesen Sie schon bald bei uns. Für den Fall, dass bereits ein hohes Maß an „Altlasten“, also aktuellen Außenständen oder offenen Posten der Vergangenheit im Hause vorliegen, gibt es zudem Möglichkeiten, Gelder zu sichern und die Verjährung zu hemmen – sowie die Abarbeitung strukturiert anzugehen. Auch diese Maßnahmen beleuchten wir für Sie. Bleiben Sie dran!
Text: Martin Merkel/Karin Seidemann/Linda EnglischTitelbild: © wutzkoh/Adobe Stock
Martin Merkel & Karin Seidemann
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