Moderne Personalarbeit: HR-Transformation bei der Caritas Speyer
Die Personalstruktur zukunftsfähig machen: Der Caritasverband für die Diözese Speyer und die Caritas Betriebsträgergesellschaft mbH Speyer (CBS) gehen, eingebettet in einen Organisations- und Strategieprozess, die Transformation des eigenen Personalbereichs, die HR-Transformation, aktiv an. Wir teilen Erfahrungen und Tipps aus der Praxis mit Ihnen.
Der Caritasverband für die Diözese Speyer mit seiner Betriebsträgergesellschaft ist ein Komplexträger mit vielfältigen Leistungsangeboten und über 3.000 Mitarbeitenden. Zu einem modernen Sozialunternehmen dieser Größe gehört auch eine ebenso modern arbeitende Personalabteilung. „Die dafür notwendigen Veränderungen in unserer Organisation haben wir schon Ende 2017 aktiv angestoßen“, sagt Micaela Belz, Abteilungsleiterin Personal des Caritasverbands und der Betriebsträgergesellschaft.
Bei dem Träger gab es zu diesem Zeitpunkt eine zentrale Struktur im Personalbereich. Deren Potenzial wurde aber – aufgrund des zurückliegenden Wachstums und der damit einhergehenden Erweiterung der Themengebiete – noch nicht richtig genutzt. Zudem gab es in den dezentralen Einrichtungen Personalsachbearbeitung in unterschiedlichem Umfang und unterschiedlicher Ausprägung. Prozesse wurden beispielsweise in der Zentrale und in den einzelnen Einrichtungen verschieden umgesetzt. Ein gemeinsames Selbstverständnis und erlebte Zusammengehörigkeit waren noch nicht vorhanden.
HR-Transformation in der Praxis – Caritas Speyer
Beim Caritasverband Speyer wurde daher mit Unterstützung von contec ein umfangreicher Veränderungsprozess im HR-Bereich geplant. Gemeinsam mit den Verantwortlichen des Trägers erfasste und analysierte ein Berater*innen-Team zunächst die Ausgangssituation und arbeitete den Handlungsbedarf und die notwendigen Maßnahmen heraus. „Das Projekt mit contec hat für uns relevante Themen transparent gemacht. Dabei haben wir auch unsere eigenen Schwerpunkte gesetzt“, so Micaela Belz. Besonders wichtig war allen Beteiligten von Beginn an die Einbeziehung der Mitarbeitenden, z. B. durch Interviews und Workshops.
Übergreifendes Ziel der HR-Transformation sollte es sein, ein neues, gemeinsames Personalgeschäftsmodell zur Steuerung der Personalprozesse zu schaffen. Dazu gehört auch die Entwicklung der Voraussetzungen für eine tragfähige Positionierung als Arbeitgeber. Silvia Breyer, Leiterin Personalmanagement und -entwicklung der contec, erklärt: „Es lassen sich nicht einfach nur Teams in eine neue Struktur umsortieren. Erfolgsentscheidend ist ein gemeinsames und individuell zur Organisation passendes Zielmodell.“ Hier müssen auch Grundlagen für eine gemeinsame Kultur der Personalabteilung geschaffen werden.
Der Veränderungsprozess folgt laut Silvia Breyer drei Grundgedanken:
- „Es gilt erstens, die Anforderungen des Marktes an eine professionelle Personalarbeit aufzunehmen. Dazu gehört es, die strategisch relevanten Personalthemen als Wissen und Kompetenz in der Abteilung aufzubauen.
- Zweitens müssen administrative Größeneffekte genutzt werden. Das heißt, dass mithilfe von Arbeitsorganisation und IT-Infrastruktur Arbeitsprozesse effizienter werden.
- Drittens gibt es auch Größeneffekte in fachlicher Sicht: Das bedeutet, dass vorhandenes Know-how zusammengeführt und verfügbar gemacht wird.“
Für mehr Hintergrund, laden Sie sich hier gerne die contec HR-Studie kostenfrei herunter:
Am Beispiel von fünf Bausteinen des Projekts bei der Caritas Speyer lassen sich Chancen und Erfolge, aber auch Hürden eines solchen Veränderungsprozesses zeigen.
Personalsachbearbeitung: zentral vs. dezentral
In einem ersten wichtigen Baustein des Projekts ging es um die Personalsachbearbeitung in den Einrichtungen des Trägers und um die Problematik „zentral vs. dezentral“. Ziel war es, dass in der neuen Struktur Personalsachbearbeitende nur noch Personalaufgaben übernehmen – und dies in der Regel für mehrere Einrichtungen des Trägers in einer Region. Die Sachbearbeitenden werden der Abteilung Personal zugeordnet und direkt durch eine Teamleitung Personal geführt.
In der Ausgangssituation des Trägers gab es in jeder Einrichtung Mitarbeitende in der Verwaltung, die Aufgaben der Personalsachbearbeitung übernahmen. Zudem hatten sie aber auch weitere Aufgaben im Verwaltungsbereich der Einrichtung. Dabei ergaben sich verschiedene Probleme, zum Beispiel Interessenskonflikte zwischen Anforderungen der Einrichtungsleitung und der Personalabteilung.
Insgesamt zeichnete sich die Personalsachbearbeitung bei dem Träger vor dem Projektbeginn durch ein hohes Maß an Kleinteiligkeit aus. Es fehlten inhaltliche Routinen und die Arbeit mit den verschiedenen Softwareprogrammen konnte nicht weiterentwickelt werden. Die Inhalte der Personalsachbearbeitung waren in den Einrichtungen verschieden. Entsprechend hemmten unterschiedliche Ausbildungs- und Wissensstände die Prozesse und führten zu häufigen Rückfragen. Die Leitungen verschiedener Einrichtungen stellten überdies unterschiedliche Anforderungen an ihre Personalsachbearbeitung (ein Beispiel ist der Umgang mit Mehrarbeitsstunden).
Alle Beteiligten einbinden, Bedenken wahrnehmen
Am Anfang stand daher das Gespräch mit den Personalsachbearbeitenden, ob Interesse an einer übergreifenden Personalsachbearbeitungs-Tätigkeit besteht oder der Verbleib in der Einrichtungsverwaltung bevorzugt wird. Im nächsten Schritt wurde das neue Regionalmodell entwickelt: „Hier hatten wir es mit einem Puzzle aus Einrichtungen und Soll-Beschäftigungsumfängen im Abgleich zu dem vorhandenen Personal und den Mitarbeiterwünschen zu tun“, berichtet Micaela Belz. Zunächst wurde die neue Struktur sukzessive eingeführt, wenn natürliche Änderungen im Beschäftigungsverhältnis stattfanden. Die Verantwortlichen planten dann einen aktiven Eingriff in die Personalstruktur, um das regionale Modell zügig umsetzen zu können. Dieser Eingriff wurde jedoch letztlich im Kontext Corona-bedingter Änderungen und Maßnahmen bewusst nicht durchgeführt. Dennoch ist heute fast überall die Zentralisierung der Personalsachbearbeitung umgesetzt.
Der Umstrukturierung wurde dabei auch einige Skepsis entgegengebracht. „Für die Einrichtungsleitungen konnte beispielsweise der Eindruck entstehen, dass sie hierbei etwas verlieren würden“, so Micaela Belz. „An diesem Punkt kann ich nur den zentralen Stellenwert von Kommunikation betonen. Bei jeder Änderung findet eine Gesprächsrunde mit Einrichtungsleitungen und betroffenen Mitarbeitenden statt, bei der Wünsche und Anforderungen von allen Seiten Raum finden“. Die aktuell verfolgte Idee ist, dass die Personalsachbearbeitenden tageweise in den unterschiedlichen Einrichtungen vor Ort sind und so als Ansprechpartner für Einrichtungsleitungen sowie Mitarbeitende zur Verfügung stehen. Auch wenn sie nicht vor Ort sind, sind sie erreichbar und können vieles bereits ortsunabhängig bearbeiten.
Für die Umsetzung der neuen Struktur wurde ein einheitliches Stellen- und Aufgabenprofil mit den regionalen Personalsachbearbeitenden entwickelt. Regelmäßige Teambesprechungen sind ebenfalls ein wichtiges Element: Ziel sind die Beziehungspflege zur Zentrale aber auch untereinander – sowie die Wissensvermittlung und das Optimieren von Prozessen. Neben vielen Herausforderungen zeigen sich bereits erste Gewinne: Diejenigen Sachbearbeitenden, die nun eine übergreifende Rolle wahrnehmen, erleben eine Erleichterung in ihrem täglichen Aufgabenspagat und mehr Fachlichkeit.
- Zur Vertiefung: Auszug Stellenprofil Personalsachbearbeitung (PSB) → Klick zum Vergrößern
Digitalisieren, automatisieren
In einem zweiten Baustein steht das Thema Digitalisierung von Prozessen in der Personalsachbearbeitung im Fokus. Bei der Caritas Speyer konnte bereits ein erfolgreicher Workflow zur Standardisierung des Vertragswesens verankert werden. Dieser bildet nun, digital und automatisiert, Neueinstellungen und Änderungen im Dienstvertrag mit der Freigabe über verschiedene Instanzen (arbeitsrechtliche und wirtschaftliche Prüfung, Zustimmungsverfahren nach Mitarbeitervertretungsordnung) ab.
Statt wie bisher Papierformulare auszufüllen, müssen jetzt nur noch einmal die Daten in den Workflow gegeben werden. „Die Durchlaufzeit für den vollständigen Prozess inklusive der Zustimmung durch die Mitarbeitervertretung beträgt in der Regel weniger als vier Arbeitstage. Wir haben die Zeit gemessen und immer wieder optimiert. So sind wir nun 30 bis 40 Prozent schneller als vor der Digitalisierung, ein großer Erfolg“, berichtet Micaela Belz. Auch die digitalen Workflows „Stellen ausschreiben“ und „Fort- und Weiterbildungen beantragen und genehmigen“ hat der Träger bereits eingeführt, weitere sind in Planung.
Auch das Vorantreiben weiterer Digitalisierungs-Aspekte, nicht nur auf Prozessebene, gehört zum Projekt. Wenn die Corona-Pandemie auch die Bedeutung von Digitalisierung besonders zeigt, mussten in dieser Situation geplante Projektschritte dieses dritten Bausteins pausiert werden. Dazu gehört die Vorbereitung zur Digitalisierung der Personalakten und der Reisekostenabrechnungen. „Eine digitalisierte Personalakte würde uns nochmal deutliche Effizienzsteigerungen bringen. So wäre dann mehr ortsunabhängiges Arbeiten möglich.“ Ein automatisiertes Stellenmanagement haben die Projektverantwortlichen bereits in den Live-Betrieb gebracht.
Funktionale Trennung, klare Führungsrollen
Die Einführung der funktionalen Trennung im Personalbereich zwischen Vertrag und Gehalt ist ein vierter Baustein des Projekts. Mittlerweile arbeitet die Personalverwaltung des Trägers bereits überwiegend in dieser Trennung. „Damit sind wir erheblich schneller in der Vertragserstellung. Uns gelingt es so, den Arbeitsvertrag innerhalb eines Tages zu erstellen.“
Dagegen kam es in der vorher gelebten ,Rundum-Sachbearbeitung‘ immer wieder zu der Situation, dass zum Beispiel in der Phase des Gehaltslaufs Gehaltseingaben oder die Klärung von Konten Vorrang vor einer Vertragserstellung hatten. „Schnell auf gute Bewerber*innen zu reagieren ist jedoch heutzutage für Unternehmen unserer Branche entscheidend. Daher ist die funktionale Trennung ein wichtiger Schritt“, so Micaela Belz.
Als fünfter Baustein der Umstrukturierung ist auch die Einführung klarer Führungsrollen in der Personalabteilung zentral. Durch die stetige Zunahme an (Projekt-)Aufgaben und das Wachstum des Verbands waren die Grenzen zwischen operativer Personalsachbearbeitung, Referenten- und Projektaufgaben und Führung zuvor fließend. Immer wieder kam auch ein Engpass in der Führungsrolle zum Vorschein, weil dort, historisch gewachsen, viele fachliche Themen verortet waren.
Mittlerweile konnten die Führungsrollen für den Bereich Personal neu ausgerichtet werden. Das hat sich gerade in der Umsetzungsphase bewährt. Es wurde eine Stellvertreterstruktur eingeführt und für die Führung der dezentralen Personalsachbearbeitenden eine unmittelbare Teamleitung eingesetzt. Diese ist mit der stellvertretenden Leitung der Entgeltabrechnung gekoppelt. Weiterhin wurden die Referentenrollen aufgewertet, indem heute mehr Verantwortung mit der Rolle verbunden ist.
Personalarbeit: Veränderung braucht Zeit
In einem umfangreichen Veränderungsprozess wie ihn die Caritas Speyer im Personalbereich vollzieht, ist Veränderungsbereitschaft auf allen Ebenen gefragt. Silvia Breyer: „Es ist dabei nicht ungewöhnlich, dass Führungskräfte und Einrichtungsleitungen nicht immer sofort mitziehen. Hier ist es wichtig, die unterschiedlichen Bedenken und Sichtweisen wahrzunehmen und viele Gespräche zu führen.“ Die Erfahrung des Caritasverbands zeigt, dass die Unterstützung der zuständigen Abteilungsleitung besonders großen Einfluss darauf hat, wie gut und schnell der Umstrukturierungsprozess vorangehen kann. „Wir haben darüber hinaus bei uns die Unterstützung und mitunter aktive Begleitung des gesamten Projekts durch Vorstand bzw. Geschäftsführung als wesentlichen Erfolgsfaktor erlebt“, so Micaela Belz.
„Die Umstellung bringt auch Veränderungen in einrichtungsinternen Prozessen mit sich. Man dreht an einer Schraube und in einer ganz anderen Ecke ergibt sich ein neues Thema, zum Teil auch im Verantwortungsbereich einer anderen Abteilung“, unterstreicht Micaela Belz und sagt abschließend: „Für ein solches Unterfangen braucht es einen langen Atem. Die Herausforderung war und ist groß. Aber wir haben schon vieles erreicht und werden zielstrebig diesen Weg weitergehen.“
Einige Praxis-Tipps zum Schluss:
- Holen Sie die Beteiligten immer wieder mit ins Boot: Führen Sie viele Gespräche und zeigen Sie die Vorteile der Neuerungen auf. Der Austausch, unter anderem mit Einrichtungsleitungen, Abteilungsleitungen und Personalsachbearbeitenden, ist entscheidend.
- Praktizieren Sie auch regelmäßige Kommunikationsstrukturen. Für die jeweiligen Situationen sollten Sie passende Formate entwickeln: von kurzen, schnellen „meet ups“ für eher operative Fragestellungen bis hin zu moderierten Workshops, um Entwicklungsschritte mit den beteiligten Mitarbeitenden zu reflektieren und den Weg der Umsetzungen immer wieder zu justieren.
- Etablieren Sie eine klare Führungsstruktur. Mit der Anbindung der Personalsachbearbeitenden an die Personalabteilung schaffen Sie Klarheit in den Verantwortlichkeiten.
- Und nicht zuletzt: Halten Sie durch. Eine HR-Transformation geschieht nicht von heute auf morgen. Aber es lohnt sich!
Text: Linda Englisch
Silvia Breyer
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