Phasen des Onboardings: So startet die Führungskraft durch
Studien belegen, dass bis zu 40 Prozent aller Nachfolger*innen auf Top-Management-Ebene in der Anfangszeit wieder aus dem Unternehmen ausscheiden (Bradt et al. 2006). Der Grund ist nicht immer eine fehlende Passung, sondern oft die Unzufriedenheit mit dem neuen Job sowie mangelnde Einarbeitung. Es sind vor allem der Einstieg und die ersten 100 Tage einer neuen Führungskraft, die über Erfolg oder Misserfolg der Unternehmensübergabe entscheiden. Man nennt diese erfolgskritische Phase der strategischen Nachfolgeplanung das Executive Onboarding. Das Onboarding einer neuen Führungskraft beginnt nicht erst mit dem ersten Tag im neuen Unternehmen, sondern sollte bereits als Teil des Rekrutierungsprozesses mitgedacht werden. Wir stellen Ihnen die drei Phasen des Executive Onboardings vor und geben hilfreiche Tipps für einen gelungenen Einstieg.
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- 1 – Das Onboarding: Mehr als nur fachliche Einweisung
- 2 – Die erste Phase des Executive Onboardings: Vorbereitung ist alles
- 3 – Die zweite Phase des Executive Onboardings: Das Preboarding
- 4 – Die dritte Phase des Executive Onboardings: Die ersten 100 Tage im neuen Job
- 5 – Ein Blick in die Praxis: Wie gelingt es mit dem Onboarding in sozialen Organisationen?
Das Onboarding: Mehr als nur fachliche Einweisung
Zunächst ein bisschen Hintergrund: Der Begriff des Onboardings wird häufig synonym mit dem deutschen Wort Einarbeitung verwendet, doch er umfasst deutlich mehr als die fachlich-inhaltliche Einweisung in eine neue Position. Vielmehr wird eine ganzheitliche und strukturierte Integration des*der jeweiligen Mitarbeitenden in das Unternehmen angestrebt, die über das fachliche Know-how und über die soziale Akzeptanz im Team hinausgeht. Wenn der Onboarding-Prozess gut verläuft, verbindet der Nachfolger bzw. die Nachfolgerin ein positives Gefühl mit dem Unternehmen. Langfristig sorgt diese Bindung für eine höhere Motivation sowohl beim Einzelnen als auch im Team.
Insbesondere auf Führungsebene zahlt sich ein so genanntes Executive Onboarding aus, da bereits eine kurze Phase der Unsicherheit zu nachhaltigen Problemen auch in wirtschaftlicher Hinsicht führen kann. Das Problem ist nur häufig, dass den Nachfolger*innen in der Anfangszeit eine effektive Unterstützung seitens des Unternehmens fehlt: Der oder die Vorgänger*in ist meist nicht mehr da, das Aufsichtsgremium fürchtet, zu sehr ins operative Geschäft einzugreifen und die Mitarbeitenden der unteren Hierarchieebenen können meist fachlich nicht weiterhelfen. Ein Executive Onboarding ist deshalb dringend notwendig, da für die Einarbeitung von Top-Manager*innen ein wesentlich größerer Aufwand mit deutlich mehr Struktur nötig ist.
Die erste Phase des Executive Onboardings: Vorbereitung ist alles
Bei Top-Management-Positionen empfiehlt es sich, bereits eineinhalb bis zwei Jahre vor Verrentung oder dem geplanten Austritt mit dem Nachfolgeprozess zu beginnen. Maßnahmen wie die Erstellung der Stellenbeschreibung und des Anforderungsprofils sowie das Vorstellungsgespräch gehören zur Personalakquise und -auswahl für die freiwerdende Stelle. Nichtsdestotrotz sollten Sie die Phase des Onboardings hier bereits mitdenken. Schon während der Personalauswahl können Sie einen Onboardingplan erstellen, der zum Beispiel das Preboarding, den Start, die Überlappungszeit (falls vorhanden) und die ersten ‚eigenen‘ 100 Tage abbildet. Den einzelnen Zeitabschnitten lassen sich spezifische Ziele und Meilensteine zuordnen, die während des Einarbeitungsprozesses erreicht werden sollen. Solche Ziele könnten beispielsweise sein, sich der Mitarbeiterschaft vorzustellen, sich Wissen über das Unternehmen anzueignen oder die ersten eigenen strategischen Entscheidungen zu treffen.
Der Onboarding-Plan gibt nicht nur der neuen Person im Unternehmen Sicherheit, sondern ermöglicht auch Ihnen – sei es nun als verantwortliches Führungskräftependant, als einarbeitende*r Vorgänger oder Vorgängerin oder sogar in der Funktion der Aufsicht – Fortschritte und mögliches Verbesserungspotenzial während der Einarbeitung zu erkennen. Zur Vorbereitung des Executive Onboardings zählt zudem die Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie. Diese hat vor allem eine unternehmenspolitische Komponente. Die Kommunikationsstrategie legt fest, wann welche Information wie und an wen kommuniziert wird – nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch nach außen.
Die zweite Phase des Executive Onboardings: Das Preboarding
Das Preboarding beginnt, sowie eine Person als Nachfolge für die Stelle gefunden ist und es darum geht, ihr erste Wertschätzung entgegenzubringen und sie auf die Phase des Onboardings und ihre neue Stelle einzustimmen. Für den bzw. die Nachfolger*in stellen die ersten Berührungspunkte mit dem neuen Unternehmen einen erfolgskritischen Punkt dar. Im Sinne des Konzepts der Candidate Journey, also bildlich gesprochen der ‚Reise‘ einer Person während des Bewerbungsprozesses bei einem Unternehmen, sollten diese Berührungspunkte, sogenannte Touchpoints, möglichst positiv und aktiv gestaltet werden.
Ein Instrument des Preboardings, das die Maßnahmen zur Schaffung einer positiven Candidate Journey aus der Vorbereitungsphase ergänzt, ist eine Begrüßungsmappe, die der neuen Führungskraft bei Vertragsübersendung zugeschickt wird. Dieser können Sie neben dem Vertrag weitere Dokumente beilegen: Ein persönliches Schreiben des Vorgängers oder der Vorgängerin zeigt beispielsweise Wertschätzung, ein Schreiben eines Ansprechpartners oder einer Ansprechpartnerin aus der Personalabteilung schafft einen leichteren Zugang bei Rückfragen. Die Mappe stellt damit eine Mischung aus herzlichem Willkommen und ersten Informationen zum Stöbern dar.
Darüber hinaus sollten Sie darauf achten, weitere Touchpoints zu schaffen, um den Kontakt aufrecht zu erhalten. Erste informelle Treffen oder Telefonate, z. B. mit dem oder der Vorgänger*in oder einem Führungskräftependant, zeigen nicht nur Wertschätzung, sondern dienen gleichzeitig ersten vorbereitenden Absprachen. In jedem Fall ist es wichtig, dass der Kontakt zur eingestellten Person nicht abreißt – insbesondere, wenn eine längere Zeitspanne zwischen Vertragsunterzeichnung und erstem Arbeitstag liegt.
Die dritte Phase des Executive Onboardings: Die ersten 100 Tage im neuen Job
In den ca. ersten drei Monaten geht es darum, den oder die Nachfolger*in so in die Geschäfte und Tätigkeiten einzuführen, dass er oder sie diese reibungslos und ohne größere Schwierigkeiten führen kann. Die dritte Phase des Executive Onboardings beginnt mit dem eigentlichen „Tag 1“ im neuen Unternehmen. Inhouse-Schulungen während der ersten Tage und Wochen, beispielsweise durch die IT, gehören zum Standard. So kann sich die Führungskraft schnell mit der Software und den Programmen vertraut machen. Gerade bei Komplexanbietern und großen Unternehmen bieten sich zudem Hospitationen in den einzelnen Unternehmensbereichen an, um kennenzulernen, wie die jeweiligen Abteilungen arbeiten. Je nach Kenntnis- und Erfahrungsstand des Nachfolgers oder der Nachfolgerin können auch Weiterbildungen sinnvoll sein, die bereits bei der Erstellung des Onboardingsplans berücksichtigt werden können.
Weiterhin sollten Sie Wert auf kontinuierliches Feedback legen. In unterschiedlichen Konstellationen können beispielsweise Gespräche mit einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsgremiums oder mit Führungskräftependants stattfinden. Je nach Länge der Überlappungszeit sind auch Gespräche mit dem oder der Vorgänger*in empfehlenswert. Diese Gespräche, gerade mit Vorgesetzten oder dem Aufsichtsgremium, können wertvolles Wissen übermitteln, sollten aber auch über die fachliche und inhaltliche Einarbeitung hinausgehen. Anhand des Onboardingplans und des persönlichen Befindens der neuen Führungskraft können Sie beispielsweise überprüfen, wie gut die Einarbeitung läuft. Daran anschließend können Sie Kritik und Lob rechtzeitig und transparent gemeinsam besprechen.
Besonders wichtig im Executive Onboarding ist der Wissenstransfer von Vorgänger*in zu Nachfolger*in. Verläuft dieser nur unzureichend, kann das weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens haben, beispielsweise durch falsche Entscheidungen aufgrund fehlenden Wissens. Ein lückenloser Wissenstransfer stellt sich damit als eine der größten Herausforderungen des Einarbeitungsprozesses dar, da es nicht nur um explizites Wissen über interne Regelungen, Abläufe oder Strukturen im Unternehmen geht, sondern vor allem auch um implizites Wissen, welches auf persönlichen Erfahrungen beruht. Hilfreiche Tools und Maßnahmen für einen gelingenden Wissenstransfer stellen wir Ihnen in dem Praxisleitfaden „Ihr Wechsel an die Spitze – Die ersten 100 Tage im Job – wie der Einstieg optimal gelingt“ vor, der im Januar erscheint.
Neben der Begrüßung an Tag 1, die genug Raum bekommen und offiziell gestaltet werden sollte, bietet sich am Ende der Überlappungszeit eine festliche, an Ihre Institution angepasste Veranstaltung mit symbolischer Staffelstabsübergabe an. Sie ist eine gute Möglichkeit, den oder die Stellenvorgänger*in gebührend zu verabschieden – insbesondere, wenn die alte Führungskraft das Unternehmen sehr lange geleitet und geprägt hat. Dort kann diese dann ausreichend gewürdigt und die neue Führungskraft vorgestellt werden. Dies ermöglicht beiden Personen, sich auf ihre neue Situation einzulassen und signalisiert gleichzeitig den Mitarbeitenden, dass jetzt der endgültige Wechsel vollzogen wurde.
Ein Blick in die Praxis: Wie gelingt es mit dem Onboarding in sozialen Organisationen?
Wie gut sind Unternehmen in der Sozialwirtschaft in puncto strategische Nachfolgeplanung aufgestellt? Und welche Maßnahmen sind konkret für die Phase des Onboardings in der Branche etabliert? Für den im Januar erscheinenden Praxisleitfaden „Ihr Wechsel an die Spitze – Die ersten 100 Tage im Job – wie der Einstieg optimal gelingt“ hat conQuaesso® JOBS eine Umfrage mit 185 Top-Führungskräften durchgeführt, deren Wechsel an die Spitze noch nicht allzu lange her ist. Dort zeigte sich, dass trotz des hohen Risikos, das eine Unternehmensübergabe ohne System und Strategie birgt, ein Executive Onboarding für die meisten Gremien im Non-Profit-Bereich noch kein Standard ist. In vielen Unternehmen erfolgt die Umsetzung der Nachfolgeplanung eher punktuell als strategisch: Nur bei knapp über der Hälfte (52 Prozent) der Befragten kommt bei der Einarbeitung einer neuen Führungskraft ein strukturierter Einarbeitungsplan zum Einsatz. Der Einarbeitungs- bzw. Onboardingplan ist aber eines der wichtigsten Tools für die gelingenden ersten 100 Tage. Die Erarbeitung sollte bereits während der Vorbereitungsphase des Onboardings erfolgen.
Tatsächlich wurden bei den Befragten während ihrer Einarbeitung zwar alle abgefragten Instrumente eines Onboardings genutzt, allerdings in deutlich unterschiedlicher Ausprägung. Fast 94 Prozent der Befragten gaben an, Unternehmensinformationen wie das QM-Handbuch, Organigramme oder Unternehmensbilanzen bereitgestellt bekommen zu haben. Der Transfer von explizitem Wissen wird über diese Maßnahmen also in großem Umfang gewährleistet. Schwieriger gestaltet sich dies mit dem internen Wissen, das nur bedingt weitergegeben wird. Nur elf Prozent erhielten beispielsweise grafische Darstellungen von Wissensbeständen des Vorgängers oder der Vorgängerin. Demgegenüber scheinen die meisten Unternehmen viel Wert auf den Aspekt der Arbeitsinfrastruktur gelegt zu haben. Knapp 74 Prozent der Befragten gaben an, dass dies Teil ihrer Einarbeitung war.
Die Ergebnisse zeigen, dass bereits einige Maßnahmen für eine strategische Nachfolgeplanung in sozialen Organisationen umgesetzt werden. Aber sowohl in der Masse als auch in dem Zusammenspiel mit den anderen Maßnahmen besteht Verbesserungspotenzial. Es ist zu beobachten, dass die Branche, d. h. die hier befragten Führungskräfte, durchaus die Notwendigkeit für eine geregelte Nachfolgeplanung sehen, es aber im tatsächlichen Gebrauch dieser Maßnahmen oft genug noch scheitert. Dem Prozess und insbesondere dem (Executive) Onboarding sollte ein angemessener Stellenwert mit entsprechenden Ressourcen beigemessen werden, sodass der Einstieg in das Unternehmen so entspannt und effizient wie möglich gelingen kann.
Text: Lisa Ringele/Sarah Rütershoff
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Marc Dobberstein
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