Kompetenzorientierte Personalplanung Pflege: Antworten auf häufige Fragen und Unsicherheiten

Bild zum Text: Kompetenzorientierte Personalplanung Pflege. Fünf Kolleg*innen stehen vor Fenstern in einem Halbkreis und sprechen miteinander.
Donnerstag, 29 Februar 2024 08:49

Das neue Personalbemessungsverfahren in der Pflege, kurz PeBeM, galt lange Zeit als Hoffnungsträger – aktuell sind jedoch zunehmend kritische Einschätzungen zu hören. Gerade bezüglich der Umsetzung qualifikations- und kompetenzorientierter Personalplanung in der Pflege bestehen Unsicherheiten. Diese nehmen wir im Beitrag genauer in den Blick und geben hilfreiche Tipps für die praktische Umsetzung.

Der PeBeM-Abschlussbericht, den Prof. Heinz Rothgang und sein Team vorgelegt haben, zeigt den Mangel an Personal in der stationären Langzeitpflege auf und stellt heraus, dass vielfach kompensatorisch gearbeitet wird. Es ist aktuell nicht ungewöhnlich, dass Leistungen vollständig ausfallen müssen, weil das nötige Personal fehlt. Immer wieder kommt es außerdem dazu, dass unter- oder überqualifizierte Mitarbeitende Aufgaben übernehmen, die nicht in ihrem Kompetenzbereich liegen – hier muss ein Umdenken erfolgen.

Die Neufassung des § 113c SGB XI legt mit 45.000 neuen Stellen ca. 40 Prozent des durch den Algorithmus 1.0 errechneten Bedarfs als Grundlage einer neuen qualifikationsorientierten Bemessung und Entgeltregelung fest. Erstmals geben die dort gesetzten Personalobergrenzen zudem eine bundesweit einheitliche Personalbemessung vor. Mit Blick auf den einheitlichen Leistungsbegriff des SGB XI erscheint es geradezu kurios, dass zuvor 16 unterschiedliche Landesregelungen für die Personalschlüssel in der stationären Langzeitpflege existierten und teils gravierend voneinander abwichen.

Noch sind die neuen Personalobergrenzen jedoch nicht verpflichtend: Derzeit gelten nach wie vor die variierenden Personalanhaltszahlen der Landesrahmenverträge als verpflichtende Richtlinie. Die Tatsache, dass ein nötiges Mehr an Personal zurzeit nicht abrufbar ist, löst bei Kostenträgern Unsicherheiten aus. Das führt teilweise dazu, dass sie eine Regelung nach § 113c SGB XI verweigern.

Kompetenzorientierte Personalplanung: Unsicherheiten nehmen

Vor einer flächendeckenden Umsetzung der Personalbemessung bestehen in einer durch Fachkraftquoten und starre Personalschlüssel geprägten Ausgangssituation noch einige Herausforderungen. Folgendes Beispiel veranschaulicht die derzeit verbreitete Auffassung einer gerechten Aufgabenverteilung im Team:

In ihrer Frühstückspause auf dem Wohnbereich wirft die Pflegehelferin der Pflegefachkraft vor: „Heute Morgen habe ich bereits fünf Bewohner*innen gewaschen, während du nur zwei Personen übernommen hast!“

Das Szenario ist keine Seltenheit, denn in vielen Teams scheint der Ansatz „Alle machen alles“ der Arbeitsorganisation zugrundeliegend. Eine qualifikationsbasierte Personalbemessung lässt sich deshalb nicht ohne Weiteres in die vorhandenen Arbeitsstrukturen integrieren – vielerorts führt das zu Unsicherheiten.

Ebenfalls verbreitet: Die Angst vor einer Taylorisierung der Pflege, die Grundpflegetätigkeiten auslagert und einzig den Profit der Einrichtungen in den Vordergrund rückt. Mit Blick auf eine kompetenzorientierte Personalplanung in der Pflege besteht zudem die Befürchtung, dass Teamkonflikte zunehmen und die insgesamte Arbeitszufriedenheit abnehmen könnten.

Es gibt jedoch verschiedene Stellschrauben, um diese befürchteten Auswirkungen zu vermeiden. Dazu gehören u. a. die Berücksichtigung von besonderen Gegebenheiten in den Teams bei der kompetenzorientierten Personalplanung, die Harmonisierung von SIS und Vorbehaltsaufgaben sowie die Entwicklung EDV-gestützter Dokumentationssysteme und Einsatzplanung.

Häufig gestellte Fragen und Antworten aus der Praxis

Im Beratungsalltag begegnen uns verschiedene Fragen zur Umsetzung der neuen Personalbemessung. Wiederkehrende Fragen möchten wir hier aufgreifen und den aktuell größten Unsicherheiten entgegenwirken. Unsere PeBeM-Expert*innen geben basierend auf ihren praktischen Beratungserfahrungen Antworten und stellen hilfreiche Tipps bereit.

1. Kehren wir mit der Zuordnung von Tätigkeiten zu Qualifikationsniveaus zurück zur Runden- oder Funktionspflege?

Die Bezugspflege und damit auch die Bewohner*innenzentrierung bleibt auch weiterhin der wichtigste Fokus. Interventionen werden jedoch in enger Abstimmung mit anderen Pflegenden entsprechend der Qualifikationen und des pflegerischen Bedarfs der Bewohnenden erbracht. Immer wieder hören wir von der Befürchtung, dass es zu einer Taylorisierung der Pflege kommt. Tatsächlich geht es im Gegensatz dazu um eine professionell differenzierte Ganzheitlichkeit. Erfahrungsgemäß gerät häufig in Vergessenheit, dass für die Personalplanung nicht allein formale Qualifikationen herangezogen werden, sondern dass ebenso Fähigkeiten sowie Prioritäten der Pflegenden relevant sind. Das spiegelt der Ansatz der Kompetenzorientierung wider: Der Schwerpunkt liegt auf den tatsächlich in der Praxis angewandten Fähigkeiten, Fertigkeiten und dem vorhandenen Wissen.

2. Stehen das Strukturmodell sowie die SIS zur Disposition, wenn kompetenzorientiert gepflegt wird?

Herausfordernd ist, dass das Strukturmodell mit der zur Entbürokratisierung beitragenden SIS die einzelnen Interventionen der Pflege nicht ausweist. Das wäre allerdings nötig, um Interventionen einem Qualifikationsniveau zuordnen zu können. Es gilt daher, im Zusammenhang des Begutachtungs-Instruments (BI), der SIS und PeBeM einen Weg zu finden, der doppelten Aufwand vermeidet und zukünftig alle Schritte bis hin zur Personalplanung vereinheitlicht.

3. Werden Fachkräfte zukünftig nur noch dokumentieren? Und werden Pflegehelfer*innen ihre Verantwortungsbereiche verlieren?

Fachkräfte bleiben wie bisher in der Pflege tätig und sind im Rahmen der Vorbehaltsaufgaben für die Pflegeplanung zuständig. Nur bei instabilen und komplexen Pflegesituationen werden sie bezüglich der Dokumentation besonders gefordert.

Durch die neuen Zuordnungen erhalten zudem auch Hilfskräfte ihre eigenen Verantwortungsbereiche. Wir sehen in der Praxis beispielsweise, dass Hilfskräfte für die Beobachtung der Bewohner*innen zuständig sind sowie dafür, ihre Beobachtungen mit den zuständigen Fachkräften zu teilen. Und natürlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass Fachkräfte in passenden Situationen auch Grundpflegetätigkeiten übernehmen.

4. Bleiben vorhandene Teams bestehen und wird es zukünftig noch Wohnbereiche geben?

Teams bilden nach wie vor die Grundlage der Pflege. Alles Weitere gilt es noch zu erproben. Es ist möglich, dass durch die kompetenzorientierte Personaplanung auch teambezogene Veränderungen entstehen. Ob und inwieweit das der Fall ist, hängt je von der Größe der Einrichtung, den vorhandenen Wohnbereichen sowie der Anzahl der Mitarbeitenden ab und kann deshalb von Team zu Team unterschiedlich aussehen.

5. Inwieweit sind die Dienste und Dienstzeiten von den Neuerungen betroffen?

Auch hier gibt es verschiedene Einflussfaktoren, die letztlich zeigen werden, inwieweit sich Dienstregelungen verändern. Mögliche Veränderungen sind u. a. abhängig von der Anzahl an Pfleger*innen, den zur Verfügung stehenden Qualifikationsniveaus sowie den Anforderungen an die Pflege.

6. Wird es durch PeBeM eine Einsatzplanung geben, die alle Einzelheiten vorgibt?

Das Ziel ist eine Einsatzplanung, die vorhandenen Qualifikationen und Kompetenzen Rechnung trägt, aber auch auf die jeweilige Situation vor Ort und mögliche Besonderheiten eingehen kann. In diesem Sinne wird die Einsatzplanung nicht minutiös durchgetaktet. Die Bedarfe der Bewohnenden, individuelle Besonderheiten und komplexe Pflegesituationen werden bei der Planung mitberücksichtigt, die zudem Raum für nötige Abweichungen lässt. So ist z. B. die Leistung „Essen reichen“ zunächst einmal wenig problematisch. Liegt jedoch eine instabile und komplexe Pflegesituation vor oder hat der/die Bewohner*in eine Schluckstörung, ist diese Leistung einer Pflegefachkraft (QN 4) vorbehalten und nimmt ggf. auch mehr Zeit in Anspruch.

7. Was bedeuten die Veränderungen durch PeBeM für Pflegedienstleitungen, Qualitätsbeauftragte sowie Wohnbereichsleitungen?

Die bisherige Erfahrung zeigt, dass es hilfreich ist, die Tätigkeitsprofile aller Akteur*innen im Blick zu behalten und in anstehende Change-Prozesse aufzunehmen. So können Sie eruieren, ob die bisherige Aufbauorganisation alle Bedarfe der neuen Anforderungen abdeckt oder ob sie angepasst werden muss. Innerhalb der Veränderungen lassen sich neue Wege finden. Wenn bspw. alle Wohnbereichsleitungen und die Pflegedienstleitung das Thema Ausfallmanagement bearbeiten und dadurch die Pflegeprozesssteuerung vernachlässigen, ist eine neue Aufteilung notwendig. Andernfalls ist die Qualität der Pflege und damit das Wohl der Bewohnenden gefährdet.

Derzeitige Unsicherheiten bestehen vor allem, weil noch nicht alle Fragen abschließend geklärt sind. Dennoch lohnt es sich, den Entwicklungen offen und positiv entgegenzutreten und den Blick auf die Potenziale zu richten. Bereits jetzt ist es möglich, sich mit einigen Schritten auf PeBeM vorzubereiten – dabei bieten wir Ihnen gerne Unterstützung an.

📅 Veranstaltungstipp

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Melden Sie sich jetzt an!

12. März 2024: Einführung PeBeM und Grundlagen des Projektmanagements

18. April 2024: Das neue Rollenverständnis mit PeBeM

24. April 2024: Effektive Personaleinsatzplanung mit PeBeM

07. Mai 2024: Kommunikation im Change

03. Juli 2024: Changemanagement und Führung in der Langzeitpflege

 

Text: Tino Wiefel, Patrick Weiss & Leonie Hecken

Tino Wiefel

Portrait von Tino Wiefel, Projektleiter und Management- und Organisationsberater bei der Contec

Bei allen Fragen rund um die neue Personalbemessung sprechen Sie uns unverbindlich an!