IEGUS-Studie: „Unternehmerisches Wagnis in der ambulanten Pflege“
Das IEGUS Institut für Europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft legt die Ergebnisse der Studie zum unternehmerischen Wagnis in der ambulanten Pflege vor. Damit wird eine wichtige Grundlage für die Entwicklung der Verhandlungskultur im ambulanten Pflegebereich gelegt.
Ein Jahr nach Erscheinen der Studie „Unternehmerisches Wagnis in der stationären Pflege“ im Auftrag des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) legt das IEGUS Institut für Europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft in Zusammenarbeit mit der contec GmbH und der Rechtsanwaltskanzlei Dornheim nun die entsprechende Studie für den ambulanten Pflegebereich vor. Diese liefert eine gezielte Aufarbeitung des Themas, Definitionen der Begrifflichkeiten, die notwendige Beschreibung von Kalkulationsmethoden und Quantifizierungen der Wagnisse.
Verhandlungskultur in der ambulanten Pflege noch wenig entwickelt
Im Bereich der ambulanten Pflege ist die Kultur des differenzierten Verhandelns der Entgelte zwischen den Leistungsanbietern und den Kostenträgern noch wenig entwickelt. Einzelverhandlungen stellen eine Ausnahme dar. Die Regel sind jährliche Fortschreibungen auf übergreifender Landes- oder Trägergruppen- bzw. Kostenträgergruppenebene. Im § 89 Abs. 2 SGB XI hat der Gesetzgeber im dritten Pflegestärkungsgesetz explizit formuliert, was seit langem Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes und Notwendigkeit einer wettbewerblichen Ordnung im preisregulierten Markt ist: die Berücksichtigung einer „angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos“ bei der Preisfindung für die Anbieter ambulanter Pflegeleistungen. Darüber hinaus wurde mit dem PSG III ausdrücklich klargestellt, dass Gehaltszahlungen bis zur tariflichen Höhe – und bei sachlicher Begründung auch darüber hinaus – für alle Leistungserbringer als wirtschaftlich anzusehen und von den Kostenträgern in den Entgeltverhandlungen zu berücksichtigen sind. Infolge des enormen Personalkostendrucks ist zu erwarten, dass sich das Entgeltverhandlungsgeschehen im Bereich der ambulanten Pflege massiv intensivieren wird. In der IEGUS-Studie werden die hierfür relevanten Fragestellungen vor dem Hintergrund des ‚Unternehmerrisiko‘-Aspektes aufgearbeitet.
Das „Unternehmerische Wagnis in der ambulanten Pflege“ – ein besonderer Fall
Dabei ist die Ausgangslage nicht einfach: Der Markt der ambulanten Pflege ist im Allgemeinen und in den Fragen der Leistungspreisbestimmung im Besonderen bislang vergleichsweise wenig erforscht. So ist es der Anspruch der Studie, das vorhandene Faktenwissen zusammenzutragen und als Basis zu verwenden. Dabei werden eine Vielzahl von Studien zu Einzelaspekten einbezogen und die Erkenntnisse mit aktuellen Praxis-Erfahrungen reflektiert. Die IEGUS-Schwester-Studie zum stationären Pflegebereich hat die Diskussionen um Begrifflichkeiten, Kalkulationsprinzipien und auch die ‚angemessene Rendite‘ der Pflegeheimbetreiber vorangebracht. Rechtsprechung und viele Grundbegrifflichkeiten mögen für die ambulante Pflege vergleichbar sein – ein ‚Ableger‘ der Arbeit für die stationäre Pflege ist die neue Studie aber keinesfalls: zu spezifisch sind die Risiken, zu groß ist die Zahl der zu berücksichtigenden besonderen Aspekte der Tätigkeit im häuslichen Umfeld bei den Menschen vor Ort, zu vielschichtig und regional differenziert ist das Leistungsrecht. Nur in sehr wenigen Regionen gibt es geeinigte Kalkulationsgrundlagen für die Verhandlung der Leistungsentgelte.
Ergebnis: Begriffsdefinitionen, Kalkulationsmethodik und Quantifizierungsansätze
Die IEGUS-Studie wurde durch einen Expertenbeirat aus Vertretern der Wissenschaft, der Unternehmensberatung, finanzierenden Banken und ehemaligen Führungskräften aus Pflegekassen und Verbänden begleitet. Sie arbeitet heraus, welche Risikoaspekte zu berücksichtigen sind und wie sie in die betriebliche Kalkulation der Pflegedienste aufgenommen werden können. Hierfür konnte auch auf Daten und Befragungsergebnisse von über 150 Pflegediensten zurückgegriffen werden. Dabei sind die aperiodisch anfallenden Kosten aus betrieblich-spezifischen Risiken ebenso zwingend zu berücksichtigen wie der Arbeitslohn für den (oft konkret mitarbeitenden) Unternehmer und die Chance auf Erwirtschaftung eines angemessenen Gewinnes. Im preisregulierten Markt muss dieser Aspekt der ‚Erfolgschance‘ in die Vergütungsverhandlung eingebracht werden, um die mittel- und langfristige Investitions- und Innovationskraft der Pflegedienste und auf dieser Basis auch die Versorgungssicherheit zu erhalten. Die Grundlage für den von IEGUS ermittelten Zuschlag für das allgemeine unternehmerische Wagnis bildet ein Benchmark-Ansatz sowie eine Aggregationsmethodik der Branchenrisiken (und -chancen). Der ermittelte Zuschlagssatz liegt – regional differenziert – zwischen 4,95 und 6,47%.
Text: Marie KrampEva Lettenmeier
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