„Bessere Bedingungen, aber auch höhere und angemessene Löhne sind von elementarer Bedeutung.“
Wie schlecht steht es wirklich um unseren Pflegenachwuchs? Die Auszubildendenzahlen steigen zwar, aber der zu erwartende Bedarf an Pflegefachkräften wird damit nicht zu decken sein. Das Thema Pflegeausbildung kann in seiner Relevanz kaum überschätzt werden, prägt doch diese Phase maßgeblich, ob junge Pflegende sich nachhaltig mit ihrem Beruf identifizieren können. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und widmet dem Thema Ausbildung eine eigene Arbeitsgruppe in der Konzertierten Aktion Pflege. Wir haben einigen wichtigen Vertreter*innen der Branche dieselben Fragen gestellt, um unterschiedliche Perspektiven auf Fragen der Generalistik, der Qualität, der Digitalisierung und der Wertschätzung in der Pflegeausbildung zu beleuchten.
Lesen Sie hier das Interview mit Heinz Fleck, Geschäftsführer der Schmallenbach-Haus GmbH. Der Träger hat das Konzept der „Zentralen Hausmentorin“ eingeführt, das den Auszubildenden eine eigene Ansprechpartnerin zur Seite stellt – neben der fachlichen Praxisanleitung.
Wie steht es Ihrer Meinung nach um den Pflegenachwuchs in Deutschland?
Wichtig ist, dass die entsprechenden Unternehmen sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren und damit eine fundierte Basis zur Werbung um den Pflegenachwuchs schaffen. Dazu gehört ebenso, die Aufgabengebiete einer Pflegefachkraft transparent darzustellen, weg von der einseitigen Verkörperung rein negativer Aspekte – es muss deutlich werden, welche Vorzüge und positiven Aspekte dieser Beruf mit sich bringt. Dementsprechend sind auch höhere und angemessene Löhne von elementarer Bedeutung. Wenn dazu noch gute Arbeitsbedingungen kommen, die eine ausgewogene Work-Life-Balance mit freien Tagen, planbarer Freizeitgestaltung und verlässlichen Diensten erlauben, steht der Gewinnung von weiteren Pflegenachwuchskräften nichts im Wege.
Pflegeberufegesetz: gut oder schlecht?
Wenn dieses Gesetz dazu beiträgt, dass sich die Altenpflege bewusst von der Krankenpflege abgrenzt und zudem noch ein eigenes und klares Profil stärker nach außen trägt, ist es zu befürworten. Auch in Zukunft wird es gerade für die Altenpflege von enormer Bedeutung sein, sich mit einem positiven Profil auf dem Arbeitsmarkt zu präsentieren. Ein weiterer positiver Aspekt des Gesetzes stellt sich in den einheitlichen und klaren Anforderungen an die künftigen Praxisanleitungen dar. Eine ausführliche, strukturierte sowie fundierte Praxisanleitung wird alle Bereiche (Altenpflege, Krankenpflege – ambulant und stationär) bereichern und nach vorne bringen. Das zeigt sich jetzt z.B. schon am jüngst von uns eingeführten Konzept der Hausmentorin, die die Auszubildenden individuell und intensiv betreut, was ihnen enorme Sicherheit und Wertschätzung entgegenbringt. Das Gesetz wird der praktischen Ausbildung einen hohen Stellenwert einräumen – von dieser positiven Entwicklung profitiert die gesamte Gesellschaft.
Welche Probleme sehen Sie hinsichtlich der Qualität der Pflegeausbildung?
Man wird sich auf einschneidende Veränderungen vorbereiten müssen: Schulen, die bisher ausschließlich eine Altenpflegeausbildung angeboten haben, werden wegfallen. Damit gehen natürlich auch ein Verlust von wohnortnaher Ausbildung sowie längere Fahrwege einher. Zudem spielen Inhalte aus der bisherigen Altenpflege eine untergeordnete Rolle oder werden gar wegfallen. Auszubildende verbringen einen kleineren Teil ihrer praktischen Stunden in ihren Erstausbildungsstätten und haben mehr externe Einsätze, damit geht ein Stück der Bindung an den Ausbildungsbetrieb verloren, was den Einfluss des Ausbildungsbetriebs minimieren wird. Die Mitarbeiterbindung an den jeweiligen Betrieb stellt jedoch einen wichtigen Aspekt dar. Der häufige Wechsel wird nicht nur bei den PraxisanleiterInnen zu Belastungen führen, auch die Beziehungspflege zu BewohnerInnen, KlientInnen und Mitarbeitenden wird darunter leiden. Die zukünftigen Auszubildenden durchlaufen zudem auch andere Abschnitte, die ihnen weitere Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen.
Findet ihrer Meinung nach eine ausreichende Vorbereitung des Nachwuchses auf die Digitalisierung im Arbeitsalltag statt?
Nein, in den Schulen fehlt das Equipment zum Lernen, die Ausstattung der allgemeinbildenden Schulen muss erst noch stattfinden. Besonders in kleineren ländlichen Städten fehlt es noch an leistungsfähigen Internetleitungen. Träger, die die Digitalisierung vorantreiben wollen, haben oftmals Probleme, von den Anbietern stabile Internetverbindungen, die auch zwischen den Einrichtungen funktionieren, zur Verfügung gestellt zu bekommen. Daher gibt es immer noch Einrichtungen und Dienste, die ihre Dokumentation in Papierform durchführen. So kann man den Pflegenachwuchs nicht auf die Digitalisierung im Arbeitsalltag vorbereiten.
Welche Gründe bewegen Jugendliche dazu, eine Ausbildung in der Pflege zu beginnen/nicht zu beginnen?
Wichtig ist natürlich die Attraktivität des Trägers in der Region. Ein Träger, der einen „guten Ruf“ hat und sich beispielsweise anhand von Mund-zu-Mund-Propaganda als erstrebenswerter Arbeitsplatz ausgezeichnet hat, wird sicherlich genügend Auszubildende finden. Zudem sind wohnortnahe Arbeitsplätze und eine angemessene Vergütung weitere Aspekte, eine Ausbildung zu beginnen. Die Gründe, weshalb sich Jugendliche gegen eine Ausbildung entscheiden, sind der oftmals einseitigen und negativen Darstellung des Berufes in Presse und Öffentlichkeit geschuldet.
Welchen Stellenwert hat die Akademisierung der Pflege im momentanen Kontext?
Die Akademisierung wird künftig an Bedeutung gewinnen. Hierbei wird es jedoch darauf ankommen, klare Aufgabenfelder zu erarbeiten und zu definieren, damit sich die Tätigkeiten der akademisierten Pflegefachkräfte und der ausgebildeten Fachkräfte nicht überschneiden und sie nach ihren jeweiligen spezifischen Qualifikationen eingesetzt werden. Die Definition dieser Aspekte sollte unbedingt geklärt werden, bevor die Fachkräfte in den Arbeitsmarkt eintreten.
Sina Steffen
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