Gesunde Teams, starke Organisation: Wie eine werteorientierte Führung die Mitarbeitergesundheit fördert
Die Arbeitswelt befindet sich in einem grundlegenden Wandel: Karriere und wirtschaftlicher Erfolg verlieren zunehmend an Bedeutung, während „weiche“ Werte für die Mitarbeiter*innen immer wichtiger werden. Mit dieser Verschiebung rückt auch die eigene Gesundheit immer mehr in den Fokus. Für die Arbeitgebenden, die ohnehin verstärkt mit dem Fachkräftemangel und demografischen Herausforderungen kämpfen, wird die Förderung der Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen somit zum wichtigen Erfolgsfaktor – das gilt insbesondere auch für die Branche der Gesundheits- und Sozialwirtschaft. In diesem Beitrag beleuchten wir die wichtigsten Aspekte rund um das Thema Mitarbeitendengesundheit und zeigen auf, wie Sie mit einer werteorientierten Mitarbeitendenführung die Basis für ein nachhaltiges und gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld schaffen.
Gesunde Mitarbeiter*innen sind das Fundament jeder erfolgreichen Organisation. Denn die körperliche und psychische Gesundheit hat – positiv wie negativ – großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit sowie Arbeitsqualität und wirkt sich damit indirekt auch auf den Erfolg eines Unternehmens aus. Insbesondere ein erhöhtes Aufkommen von krankheitsbedingten Ausfällen, kann zu erheblichen Problemen führen und eine angespannte Personalsituation weiter verschärfen. Ein Effekt, von dem in besonderem Maße auch die Gesundheits- und Sozialwirtschaft betroffen ist: Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen war der Krankenstand 2023 in der Altenpflege mit 7,4 Prozent am höchsten, dicht gefolgt von Beschäftigten in Kitas mit 7,0 Prozent (vgl. DAK Gesundheitsreport). Doch was sind die Gründe dafür und wie können Unternehmen der Branche dem vorbeugen und entgegenwirken?
Mitarbeitergesundheit braucht Balance: Ressourcen und Belastungen verstehen
Die Gesundheit und das Wohlbefinden eines Menschen sind das Ergebnis vielfältiger, wechselseitiger Einflussfaktoren – dazu gehören auch die Arbeitssituation und das Arbeitsumfeld. Das Job-Demands-Resources (JD-R) Model von Arnold Bakker und Evangelia Demerouti ist ein theoretisches Rahmenwerk und beschreibt eben diesen Zusammenhang und die Wechselbeziehungen zwischen Eigenschaften der Arbeitsaufgabe, der Situation am Arbeitsplatz und dem Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen. Dabei wird zwischen Ressourcen und Belastungen unterschieden: Im Kontext von Gesundheit beschreibt der Ressourcenbegriff gesundheitsförderliche bzw. schützende Faktoren, die auf persönlicher, sozialer, körperlicher und psychischer Ebene vorhanden sind. Belastungen hingegen wirken sich negativ und gesundheitsschädlich aus. Im optimalen Fall befinden sich Ressourcen und Belastungen mindestens in der Balance.
Das Job-Demands-Resources (JD-R) Model in Anlehnung an Arnold Bakker und Evangelia Demerouti
Mit dem Job-Demands-Resources Model ist es möglich sich dem Thema Mitarbeitendengesundheit in einem ersten Schritt auf einer theoretischen Ebene zu nähern und ein Verständnis für das Zusammenspiel von Arbeit und Gesundheit zu entwickeln. Dabei ist es wichtig sich bewusst zu machen, dass Belastungen und Ressourcen in jedem Arbeitsbereich sehr unterschiedlich aussehen können und zudem stark von dem/der einzelnen Mitarbeiter*in abhängig sind.
Belastungen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft
Die Branche der Gesundheits- und Sozialwirtschaft ist bekanntermaßen mit hohen körperlichen (bspw. häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten) und psychischen (bspw. der Umgang mit emotional belastenden Situationen) Belastungen verbunden. Hinzu kommen ungünstige arbeitsorganisatorische Merkmale, wie bspw. Schicht- und Wochenendarbeit. Eine Befragung von beruflich Pflegenden für den Stressreport Deutschland 2019 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat diese Belastungen einmal mehr bestätigt.
Diese potenziellen Belastungen in sozialen Berufen werden, u.a. bedingt durch den Fachkräftemangel, perspektivisch nicht besser oder weniger. Umso wichtiger ist es, die Perspektive zu ändern und den Fokus auf die Faktoren zu legen, die Arbeitgebende beeinflussen und anpassen können!
Denn potenzielle Belastungen müssen nicht zwangsläufig zu manifesten Belastungen werden und können mit den richtigen Rahmenbedingungen im Gegenteil sogar zu Ressourcen werden. Als Beispiel kann hier die mitarbeitendenorientierte Dienstplangestaltung genannt werden, die zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beiträgt. Das funktioniert so natürlich nicht für jede Belastung, aber mit einer Sensibilisierung, einem funktionierenden Monitoring und ressourcenfördernden Rahmenbedingungen ist es möglich potenziellen Belastungen präventiv vorzubeugen und im Bedarfsfall deeskalierende (Schutz-)Maßnahmen einzuleiten.
Ressourcen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft
Zu den möglichen Ressourcen in sozialen Berufen zählen eine hohe intrinsische Motivation, die Arbeit mit Menschen, eine empfundene Sinnhaftigkeit und hohe soziale Anerkennung sowie das Erleben von unmittelbarer Wirksamkeit. Wichtig sind darüber hinaus verstärkende Ressourcen, wie bspw. eine angemessene Vergütung, Wertschätzung durch Lob und Anerkennung sowie Hilfe und Unterstützung durch Führungskräfte. Um diese und weitere Ressourcen zu identifizieren, empfiehlt es sich mit den Mitarbeitenden in den Dialog zu gehen und sie zu ermutigen darüber nachzudenken, wie es um die individuelle Balance von Ressourcen und Belastungen in ihrem Arbeitskontext steht. Animieren Sie Ihre Belegschaft dazu, gemeinsam mit Ihnen über konkrete Handlungsansätze die eine ausbalancierende Wirkung haben, nachzudenken.
Ein hohes Arbeitsunfähigkeitsgeschehen ist also häufig die Folge von zu hohen Belastungen, die nicht in ausreichendem Maße in gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen eingebettet und von potenziellen sowie verstärkenden Ressourcen ausgeglichen werden. Die individuelle Krankenstandsquote eines Unternehmens lässt dementsprechend wichtige Rückschlüsse auf die Arbeitssituation und die Arbeitsbedingungen zu. Wird mit Blick auf die Krankenstandsquote des eigenen Unternehmens deutlich, dass Handlungsbedarf besteht, führt das zu der Ausgangsfrage: Wie können wir für unsere Mitarbeitenden Belastungen reduzieren und Ressourcen zugänglich machen?
Drei Ebenen haben Einfluss: Gesundheitserleben am Arbeitsplatz
Das Erleben von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig, die auf drei unterschiedlichen und trotzdem eng miteinander verzahnten Ebenen wirken: die Makro-, Meso- und Mikro-Ebene.
Während die Makro- und Mikro-Ebene von Unternehmen kaum bis gar nicht direkt beeinflussbar sind, bietet die Meso-Ebene das größte Potential.
Die Makro-Ebene umfasst im Wesentlichen die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen und Entwicklungen. Hierzu gehören gesetzliche Regelungen zum Arbeitsschutz, arbeitsrechtliche Bestimmungen, aber auch die wirtschaftliche Stabilität und die allgemeine Kultur im Umgang mit Gesundheit und Arbeit. Darüber hinaus sind die Verfügbarkeit von Sozialleistungen und der Zugang zum Gesundheitssystem entscheidende Faktoren. Das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) in Deutschland fußt auf drei Säulen: dem Arbeits- und Gesundheitsschutz (AGU), dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) und der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF). Die Ausgestaltung und Umsetzung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements liegt in der Verantwortung des Unternehmens und muss an die individuellen organisationalen Gegebenheiten und Erfordernisse angepasst werden. Strategisch und nachhaltig eingesetzt, kann das betriebliche Gesundheitsmanagement einen großen Beitrag zur Reduzierung von Belastungen und der Bereitstellung von Ressourcen leisten. Dabei sind die Faktoren der Meso-Ebene von entscheidender Bedeutung.
Die Meso-Ebene umfasst die organisationalen Kontextfaktoren, d.h. die Strukturen und Prozesse innerhalb eines Unternehmens. Dazu gehören die Unternehmenskultur und -struktur ebenso wie Management, Führung, Kommunikation, Dynamik, Commitment, Policy und Handlungsansätze.
Tragender Faktor: Eine werteorientierte Mitarbeiterführung
Die Strukturen und Prozesse der Meso-Ebene gilt es in Einklang mit einer gesunden und nachhaltigen Mitarbeitendenführung zu bringen. Denn Management und Leadership sind in einem Unternehmen die tragenden Faktoren für das Erleben von Gesundheit und Wohlbefinden. Dafür braucht es vor allem Commitment und Involvement – beides basiert maßgeblich auf dem jeweiligen Wertegerüst und der Haltung einer Führungskraft. Somit sorgt eine Kombination aus den entsprechenden Werten und Kompetenzen für eine Führungskultur, die nicht nur die Bedürfnisse der Organisation erfüllt, sondern auch die der Mitarbeiter*innen mit einbezieht.
Expertentipp: Eine entsprechende Werteorientierung sollte bereits in Auswahlverfahren, wie beispielsweise in Assessment Centern oder bei der Eignungsdiagnostik, berücksichtigt werden und zu einer Perspektiverweiterung führen: Nicht nur die Kompetenzen der Kandidat*innen zählen, sondern auch die Beantwortung der Frage „Wie sehe und begegne ich meinen Mitarbeitenden als Menschen?“. Lesen Sie in diesem Beitrag, wie eine entsprechende Potenzialanalyse aussehen kann.
Die Perspektive und Partizipation der Mitarbeiter*innen sind zwingend nötig, um die richtigen Handlungsbedarfe und Stellschrauben für eine nachhaltige und gesunde Mitarbeitendenführung identifizieren zu können. Regelmäßige Mitarbeitendengespräche, für die bewusst Zeit eingeräumt wird, bieten hierfür eine wertvolle Grundlage.
So können eine ressourcenorientierte Aufgabenverteilung ebenso wie der Blick auf die Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Teamkonstellationen wichtige Ansatzpunkte sein. In der Praxis hat sich hierbei der Ansatz des Team Management Profils nach Margerison-McCann als besonders effektiv und empfehlenswert erwiesen.
Zugleich sollten Organisationskultur und -struktur einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Hilfreiche und wichtige Fragen können hierbei sein: Ist die Kultur geprägt von gegenseitiger Unterstützung und dem offenen Dialog? Gibt es ein Bewusstsein für gesundes und nachhaltiges Führen in den Rollenbeschreibungen? Sind Verantwortlichkeiten klar? Wie kommunizieren wir? Was können wir im Rahmen unserer Möglichkeiten ändern? Stehen uns genügend zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung?
In den seltensten Fällen sind es tatsächlich die kommerziellen Maßnahmen aus der „Schublade“ wie bspw. Sportkurse, ein Obstkorb oder Massagen, die überzeugen und einen nachhaltigen, wirksamen Beitrag zur gesunden Organisation leisten. Stattdessen lohnt sich ein Blick auf das Innenleben – den Herzschlag der Organisation: Wo erleben unsere Mitarbeitenden in ihrem Arbeitsumfeld Belastungen und wo liegen potenzielle Ressourcen? Führungskräfte als aktiv geforderte Akteur*innen in diesem Bereich können aus diesem Wissen heraus Prozesse initiieren, die dazu beitragen, dass Mitarbeitende gesund und gerne ihrer Tätigkeit nachgehen. Die Auswahl und Entwicklung von Führungskräften spielen eine entscheidende Rolle für eine gesunde Organisation. Schon bei der Stellenbesetzung werden wichtige Weichen gestellt – es ist essenziell, genau hinzuschauen, wer diese Schlüsselpositionen übernimmt.
Text: Ulrike Goletz/ Kristin Thalmann/ Saskia Strangfeld©svitlana/ Adobe Stock
Ulrike Goletz
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