Flexibilisierung der Arbeit – Neue Dynamiken durch Corona
Der digitale Wandel befindet sich gerade für die Sozialwirtschaft noch immer in einem Spannungsfeld zwischen Hoffnung und Sorge. Der Dienst am Menschen und die durch die Digitalisierung bedingte Flexibilisierung der Arbeit scheinen sich auszuschließen. Die Hürden, Fachkräften die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Arbeit auch an einem anderen Ort als der eigentlichen Arbeitsstätte zu verrichten, sind hoch. Die meisten Dienstleistungen in der Sozialwirtschaft – die Arbeit mit und am Menschen – sind nach wie vor nur schwer durch neue Arbeitsformen zu flexibilisieren. Aber auch die nötige Expertise zum Aufbau digitaler Strukturen ist in vielen Sozialunternehmen oftmals nicht gegeben.
Die durch die Corona-Pandemie entstandene akute Bedrohung der Geschäftsmodelle in der Sozialwirtschaft schafft allerdings eine neue Dynamik, die Chancen für die Branche eröffnet. Trotz der weitreichenden negativen Folgen der Corona-Krise, erweckt sie in vielen Bereichen neue Entwicklungspotenziale. Viele Unternehmen, auch die der Sozialwirtschaft, müssen ihre Prozesse umstellen und digitalisieren, sodass ihre Mitarbeitenden beispielsweise von Zuhause arbeiten können.
Was bedeutet Flexibilisierung der Arbeit für die Sozialwirtschaft?
Immer mehr Beschäftigte der Sozialwirtschaft wünschen sich orts- und zeitflexible Arbeitsmöglichkeiten. Das betrifft nicht nur das Homeoffice, sondern auch die mobile Arbeit von unterwegs. Grund ist vor allem eine bessere Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben – angepasst an die jeweiligen Lebensphasen – und eine höhere Selbstbestimmung in der Arbeitsorganisation, die durch digitales Arbeiten erst ermöglicht wird. Aber auch durch gesellschaftliche Entwicklungen wie den Wertewandel oder die derzeitigen Bedingungen durch die Corona-Pandemie ändern sich Arbeitsformen stetig.
Die Flexibilisierung der Arbeit betrifft insbesondere drei Bereiche:
- Arbeiten von Zuhause
- Arbeiten von unterwegs
- Arbeiten zu jeder Zeit
Umsetzbar ist diese Flexibilisierung besonders bei den deutlich gewachsenen Aufgaben jenseits der unmittelbaren Arbeit mit und am Menschen. Hier kann die Digitalisierung die zwingend notwendige Präsenz am Arbeitsort oder zu einer spezifischen Arbeitszeit überwinden. Dienstplanung, Dokumentationen, Terminvereinbarungen, Erstellungen von Prognosen und Betreuungsmodellen sowie weitere bürokratische Tätigkeiten können schon jetzt mit den neuen Formen der Flexibilisierung bei entsprechenden technischen Voraussetzungen zumindest stundenweise von zu Hause oder unterwegs erledigt werden. Dies setzt auch wesentliche Zeit für die Betreuung der Pflegebedürftigen frei. Auch die sozialen Medien eröffnen neue Möglichkeiten der Beratung und Begleitung, die die unmittelbare Anwesenheit vor Ort – beispielsweise durch Videokommunikationsdienste – zumindest in Teilen ersetzen.
Arbeitgeber-Attraktivität durch Flexibilisierung
Arbeitgeber*innen müssen die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen der Mitarbeitenden berücksichtigen und entsprechende Konzepte entwickeln. Dadurch können sie nicht nur ihre Fachkräfte an das Unternehmen binden, sondern auch ihre Arbeitgeber-Attraktivität nach außen steigern. Daher sollte Ziel der Unternehmen, besonders innerhalb der Sozialwirtschaft, sein – zumindest für den Teil der Arbeit, für den es möglich ist – eine schrittweise Einführung flexibler Arbeitsvarianten voranzutreiben. Durch die Möglichkeit zur Nutzung der Flexibilisierung fühlen sich Mitarbeitende in ihrer Individualität unterstützt und trotz oftmals heterogener Ansprüche wertgeschätzt. Der bewusste Umgang mit digitalen Kommunikations- und Informationstechnologien lässt so beide Parteien von flexiblen Arbeitsmodellen profitieren: Arbeitnehmer*innen haben zusätzliche persönliche Freiheiten und eine stabile Work-Life-Balance, während das Unternehmen engagierte und langfristige Mitarbeitende bindet und gewinnt.
Zusätzlich zur eigenen Arbeitgeber-Attraktivität kann die Flexibilisierung der Arbeit zu einer Aufwertung der Attraktivität der Branche insgesamt führen, da die Tätigkeiten der pflegenden und betreuenden Fachkräfte an sich eine Aufwertung erfahren. Die Nutzung digitaler Methoden und flexibler Arbeitsmodelle ist gerade für die junge Generation ein elementares Entscheidungskriterium für die Berufs- und Arbeitgeberwahl. Somit kann die Sozialbranche hier aufholen und weiter zu einem modernen und vielfältigen Tätigkeitsfeld werden.
Flexibilisierung als langfristiger Prozess
Hinsichtlich der Entwicklungen der aktuellen Corona-Krise erwarten die Mitarbeitenden der Sozialwirtschaft spätestens mittelfristig einen sichtbaren Lerneffekt aus den aktuellen Geschehnissen. Um die flexiblen Arbeitsformen in der Sozialwirtschaft aber wirklich dauerhaft zu implementieren, ist mehr als die Digitalisierung einzelner Arbeitsvorgänge notwendig. Es gilt, sowohl die Arbeitsorganisation als auch die Zusammenarbeit sowie die strategische Ausrichtung des Unternehmens langfristig anzupassen. So müssen beispielsweise Aufgabenverständnisse neu definiert, die Eigenverantwortung der Fachkräfte gefördert oder hierarchische Strukturen abgebaut werden. Außerdem ist der Aufbau einer stabilen IT-Infrastruktur wichtige Grundvoraussetzung. Erst dann kann die Flexibilisierung der Arbeit auch in der Sozialwirtschaft neue Wege und Perspektiven eröffnen.
Text: Marc Dobberstein/ Lisa Ringele© picjumbo.com/Pexels
Marc Dobberstein
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