Scheitern macht heiter – Fehlerkultur als Innovationsfaktor
Fehler gehören zum Lernen dazu, darin herrscht weitgehend Einigkeit. Schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Aber gilt das auch für Unternehmen und Organisationen? Gehört das Scheitern wirklich dazu oder sind Unternehmen heute nicht eher auf Lösungen und Erfolg getrimmt? Wie eine solche Kultur Innovation fördern und langfristigen Erfolg sichern kann, zeigen wir in diesem Beitrag.
Unsere Kultur ist im Allgemeinen nicht besonders fehlerfreundlich: Niemand spricht gerne über Misserfolge, und auch in Unternehmen und Organisationen geht es vielfach um Fehlervermeidung. Dabei bergen Fehler ein enormes Potenzial – vorausgesetzt, sie werden reflektiert und als Lernchance genutzt. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Krise der neue Normalzustand ist und Bewährtes an vielen Stellen nicht mehr funktioniert, sollte mutig Neues ausprobiert werden. Scheitern gehört dazu, wenn Innovatives entstehen soll. Nichts ist gleich auf Anhieb perfekt. Perfektionismus und die Angst vor Fehlern blockieren hingegen jeden Fortschritt und die Kreativität. Eine offene Fehlerkultur ist die Grundlage, um Teams zu inspirieren, Neues zu wagen und den Innovationsprozess voranzutreiben.
Die Vorteile einer guten Fehlerkultur
Nicht ohne Grund sind Unternehmen wie Google und 3M so erfolgreich: Beide setzen auf Gestaltungs- und Freiräume, in denen Mitarbeitende Neues ausprobieren dürfen – auch auf die Gefahr hin, Fehler zu machen. Versuch macht klug – Fehler werden nicht als Scheitern, sondern als wertvolle Erfahrung gesehen. Im besten Fall entsteht eine innovative Lösung oder ein neues Produkt, das das Unternehmen weiterbringt. Im schlimmsten Fall stellt sich ein Vorgehen als falsch heraus und es muss ein anderer Weg eingeschlagen werden. Dabei lernt man für das nächste Mal. Ein solcher Umgang fördert Engagement, Motivation und Innovation.
Im Gegensatz dazu hat eine schlechte oder nicht vorhandene Fehlerkultur meist gravierende Auswirkungen auf die Produktivität und das Betriebsklima. Wird nur nach „Schuldigen“ gesucht, treten dieselben Probleme immer wieder auf. In einem Klima der Angst und des Misstrauens stehen Mitarbeitende unter Druck und in ständiger Konkurrenz zueinander. Sie verwenden ihre Energie darauf, Fehler zu vermeiden, sie zu verbergen oder anderen zuzuschreiben. Auf lange Sichtet leidet so nicht nur die Zufriedenheit, sondern auch der Unternehmenserfolg ist gefährdet.
Fehlerarten und ihre Ursachen
Heißt das nun, dass sämtliche Fehler willkommen sind und alles erlaubt ist? Ein solches „Laisser-faire“ geht sicher zu weit. Stattdessen gilt es, zwischen verschiedenen Arten von Fehlern zu unterscheiden. So können Fehler ein bewusster Verstoß gegen Regeln sein oder aus Unachtsamkeit oder wegen mangelnder Erfahrung bzw. Kompetenz auftreten. Andere resultieren aus fehlenden Standards oder einer zu komplexen Aufgabenstellung. Und dann gibt es noch die „klugen Fehler“, die durch Experimente entstehen und zu wertvollen Erkenntnissen führen. „Trial and Error“ ist eine gängige Bezeichnung für diese Art von Fehlversuchen.
Bewusste Verstöße sollten nicht toleriert werden. Andere vermeidbare Fehler liefern Hinweise auf unklare Rahmenbedingungen, unzureichende Kommunikation oder Fortbildungsbedarf. Unvermeidbare Fehler treten zwangsläufig unter bestimmten Rahmenbedingungen auf, ein Beispiel sind Flüchtigkeitsfehler bei sehr hohem Arbeitsaufkommen oder Fehler bei unvorhersehbaren Ereignissen. Hier können Standards und Risikomanagement Abhilfe schaffen. „Kluge Fehler“ sind besonders wertvoll. Trotz Rückschlägen können sie neue Perspektiven eröffnen und der Organisation einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Entwicklung einer Fehlerkultur
Eine positive Fehlerkultur entsteht nicht von heute auf morgen. Sie braucht Zeit, Ressourcen und vor allem Vertrauen. Mitarbeitende sollten sicher sein, dass Fehler keine negativen Konsequenzen nach sich ziehen. Offenheit, gegenseitiger Respekt und Transparenz schaffen ein Umfeld, in dem sich Mitarbeitende trauen, über Fehler zu sprechen und diese als Lernchance zu begreifen. So entsteht ein Betriebsklima, in dem Mitarbeitende ihr Potenzial entfalten können und bereit sind, neue Ideen auszuprobieren.
Die Rolle der Führung
Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle bei der Etablierung einer positiven Fehlerkultur. Sie sollten als gutes Beispiel vorangehen, indem sie offen mit eigenen Fehlern umgehen und diese als Chance betrachten, es beim nächsten Mal besser zu machen. Anstatt Fehler zu sanktionieren, sollten sie die Mitarbeitenden ermutigen, Verantwortung zu übernehmen und aus ihren Fehlern zu lernen. Wenn Vorgesetzte offene Diskussionen fördern, Fragen begrüßen und bei Misserfolgen zu einer gemeinsamen Analyse und Lösungsfindung einladen, werden sowohl das Miteinander als auch das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen gestärkt.
Praxistipps für einen konstruktiven Umgang mit Fehlern
Die Einführung einer positiven Fehlerkultur ist ein Prozess, der idealerweise alle Mitarbeitenden einbezieht. Folgende Maßnahmen können dazu beitragen:
- Feedback-Kultur: Regelmäßiges, konstruktives Feedback hilft dabei, Stärken und Verbesserungspotenziale zu erkennen – sowohl für Mitarbeitende als auch für Führungskräfte.
- Fortbildung: Workshops und Schulungen sensibilisieren für die Bedeutung von Fehlern als Lernchance und vermitteln Techniken zur Reflexion und Fehleranalyse.
- Fehler feiern: Formate wie die „Fuck-up-Nights“ bieten die Möglichkeit, Misserfolge ganz bewusst zu feiern und gemeinsam die positiven Aspekte zu würdigen. Solche Veranstaltungen lassen sich auch firmenintern organisieren.
- Lessons Learned: Eine systematische Fehleranalyse sorgt dafür, dass Erkenntnisse aus Fehlern in künftige Projekte einfließen und Wiederholungen vermieden werden.
➡️Tipp: Möchten Sie selbst einmal an einer sogenannten „Fuck-up“-Runde teilnehmen? Beim 21. contec forum – Pflege & Vernetzung im Januar haben wir zwei Sessions eingeplant. Hier geht es zum Programm.
Fazit
Die Entwicklung einer positiven Fehlerkultur braucht Zeit, zahlt sich aber langfristig aus. Wenn Fehler nicht als persönliches Versagen, sondern als Lern- und Entwicklungschancen begriffen werden und Mitarbeitende sich sicher fühlen, Fehler offen anzusprechen, stärkt das nicht nur die Innovationskraft, sondern auch die Motivation der Mitarbeitenden. In einer Welt des ständigen Wandels sind Fehlschläge unvermeidlich – entscheidend ist, wie man damit umgeht. Nur wer aus seinen Fehlern lernt, hat auf Dauer Erfolg.
Text: Annette Borgstedt
Foto: freepik
Eva Huckebrink
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