Digitales Recruiting: Influencer Marketing, WhatsApp und Co
Soziale Medien und digitale Bewerbungs-Tools bieten zahlreiche Möglichkeiten, um das Recruiting zu diversifizieren und zu optimieren. Sinkende Erfolgsquoten klassischer Online-Stellenbörsen machen eine breitere Aufstellung in puncto Digitales Recruiting nicht nur interessant, sondern auch notwendig. Trotz des großen Potenzials fehlt es den Personalabteilungen von Sozial-, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen allerdings oft an der nötigen Initiative und Überzeugung – oder auch an der Personalausstattung – um im Online-Bereich aktiver und kreativer zu werden.
Einen Überblick über die Facetten der „Digitalen Fachkräftesicherung“ mit zahlreichen Praxisbeispielen gab Maja Schäfer, Projektleiterin Personalmarketing & Recruiting der Diakonie Deutschland sowie Bloggerin („recruiting2go.de“) in ihrem Workshop beim 15. contec forum zum Jahresbeginn 2019. Schäfer ging in ihrem Vortrag neben den bekannten Feldern des Mobile und Social Recruitings auch auf bislang weniger verbreitete Ansätze ein: Kooperationen mit Influencerinnen und Influencern („Influencer Personalmarketing“), digitale Mitarbeiterempfehlungsprogramme sowie die Karriereberatung via WhatsApp.
Digitales Recruiting mit Influencer Marketing
Die Idee, prominente Fürsprecherinnen oder Fürsprecher für die Bekanntmachung der eigenen Sache zu gewinnen, ist natürlich im Kern keine neue. Wer jedoch heute ein junges Publikum erreichen will, sollte den Fokus auf eine relativ neue Gruppe von Prominenten richten: Junge Influencerinnen und Influencer, die über ihre Social Media Kanäle (YouTube, Blogs, Instagram, etc.) mitunter sehr große Zielgruppen erreichen und ihre Botschaft dabei auf eine direkte, persönliche Art an ihr Publikum herantragen.
Schäfer führt als Praxisbeispiel die erfolgreiche Kooperation der Diakonie Deutschland mit dem YouTuber MaximNoise an. Der Neusser Musiker hat mit der Diakonie das Musikvideo „Da sein“ produziert, das soziale Arbeit am Beispiel diakonischer Einrichtungen illustriert und mit einem Verweis auf das Diakonie-Karriereportal endet. Er tritt auch in einem kurzen Testimonial-Video auf, in dem er sich explizit für soziale Berufe stark macht und wirkt bei Veranstaltungen der Diakonie durch musikalische Auftritte oder Vorträge öffentlichkeitswirksam mit.
Um diese spezielle Form des Personalmarketings und Employer Brandings zu nutzen, müssen Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens zunächst geeignete und zugleich interessierte Influencer/innen finden. Laut Schäfer seien Influencer/innen mit sozialen Themenschwerpunkten jedoch rar gesät. Sie schlägt als alternativen Ansatz die Zusammenarbeit mit regionalen Micro-Influencer/innen vor. Hier müsse aus ihrer Sicht kein direkter Themenbezug vorliegen, solange die Influencer/innen andere Berührungspunkte mit der Marketing-Zielgruppe hätten. Das könne z. B. die gemeinsame Heimat sein.
Grundsätzlich könnten die Multiplikator/innen per Eigenrecherche, über Agenturen oder über Blogger-Plattformen gefunden werden. Schäfer verweist aber auch auf Risiken des Ansatzes. Handelt es sich um bekanntere Influencer/innen, könne eine Kooperation durchaus kostspielig sein. Zudem müsse man sich der Tatsache bewusst sein, dass die Influencer/innen eigene Meinungen und Herangehensweisen mitbrächten und sich nicht immer wie geplant verhielten. Dies könne sich aber wiederum auch positiv auswirken, schließlich kennen die Influencer/innen ihre eigene Zielgruppe am besten.
Mitarbeiterempfehlungen digital professionalisieren
Die Idee dieses Ansatzes ist es, Mitarbeitende zu motivieren, auf digitalem Weg ihre Freundinnen und Freunde zu Kolleginnen und Kollegen zu machen. Bei der Diakonie habe diese Form des Recruitings, laut Schäfer, auch in ihrer analogen Form schon immer eine große Rolle gespielt. Während man Empfehlungen lange dem Zufall überlassen habe, würden sie nun mit digitalen Tools strukturiert und professionalisiert. Die Diakonie baue in diesem Kontext auf die Recruitment Marketing Software des Anbieters talentry, die u. a. einen Überblick über alle Empfehlungen ermöglicht und die Evaluation erleichtert. Das Empfehlungsprogramm könnte, so Schäfer, bei der Diakonie perspektivisch bundesweit und damit einrichtungsübergreifend etabliert werden.
Schäfer zieht aus der Pilotphase des digitalen Programms eine positive Bilanz, nicht nur in quantitativer sondern speziell auch in qualitativer Sicht: Die über Empfehlungen rekrutierten Mitarbeitenden passten im Verhältnis besonders gut zur Diakonie, insbesondere was ihren Bezug zu christlichen Werten betrifft. Um das Programm unter den Mitarbeitenden bekannt zu machen, schlägt Schäfer verschiedene Kommunikationswege vor: schriftlich – via E-Mail, Onboarding-Mappe, Gehaltszettel usw. – oder auch in der persönlichen Ansprache. Dabei hält sie es für sinnvoll, stets neue Kommunikationsaufhänger zu nutzen, Prämien für Empfehlungen zu variieren und auch bereits für die Registrierung oder für erfolglose Empfehlungen Prämien auszuloben. Zudem hält sie die wertschätzende Kommunikation und den Dank für empfehlende Mitarbeitende für zentral.
Schnell und persönlich: Beratung via WhatsApp
Ein dritter innovativer Ansatz für digitales Recruiting, den Schäfer vorstellt, ist die „WhatsApp Karriereberatung“, ein Modell, das von der Diakonie bereits seit Januar 2015 bundesweit angeboten wird. Gerade vor dem Hintergrund, dass Facebook bei der jüngeren Zielgruppe kaum noch Relevanz hat, liegt hier ein interessanter Ansatz. Der Service wird von der Diakonie wenig beworben; nur im Seitenfooter des Karriereportals wird darauf aufmerksam gemacht. Laut Schäfer finden 340 Chats pro Jahr mit durchschnittlich 4,8 Nachrichten pro Chat statt. Anfangs sei oft der Einstieg mit Hauptschulabschluss oder der Quereinstieg Thema gewesen, den Service hätten zunächst überwiegend Männer genutzt; mittlerweile ginge es häufig konkret um Stellensuchen und Ausbildung bzw. Studium und der Service werde zudem mehr von weiblichen Interessentinnen verwendet.
Um die Nutzung dieser Art der Kommunikation mit Bewerberinnen und Bewerbern praxistauglich zu gestalten, schlägt Schäfer vor, FAQs vorzubereiten sowie die Copy- und Audiofunktion zu nutzen. So könne man auf wiederkehrende Fragen schneller und effizienter reagieren. Ebenso empfiehlt sie die Festlegung von Bearbeitungszeiten, um der Erwartung einer ständigen Erreichbarkeit entgegenzuwirken. Schäfer schlägt vor – dem Medium entsprechend – kurze, lockere und persönliche Antworten (d. h. mit Namen) zu senden.
Ziel sei es dabei, aus den oft unverbindlichen Anfragen Bewerbungen zu generieren. Problematisch sei jedoch, dass sich der Erfolg der WhatsApp-Beratung selten nachverfolgen lasse. Schäfer berichtet weiterhin, dass gelegentlich Fragende im Rahmen der Karriereberatung soziale und psychische Probleme einbringen. Hier mahnt sie, keine psychologische Beratung durchzuführen und Notfälle an die Telefonseelsorge zu verweisen. Eine weitere Schwierigkeit des Angebots liege im Bereich des Datenschutzes, hier könne man über alternative Dienste nachdenken.
Insgesamt betont Schäfer die Notwendigkeit, verschiedene digitale Wege zu gehen, um heutzutage und im Kontext des Fachkräftemangels erfolgreiches Recruiting betreiben zu können. Einen Überblick über die diversen Tools für digitales Recruiting und entsprechende Anbieter gibt sie auf ihrem Blog. Für die Diakonie sieht Schäfer in der digitalen Recruiting-Offensive auch die Chance, als traditionelle Organisation ein moderneres Image zu gewinnen und damit auch eine neue Bewerber/innen-Zielgruppe zu erschließen.
Text: Linda EnglischMichael Malovecky
Sie haben Fragen rund um das Thema Digitales Recruiting? Sprechen Sie uns unverbindlich an!