Cultural Fit – Führungspositionen strategisch besetzen

Dienstag, 29 November 2022 14:36

In Zeiten stetiger Veränderung und vielfältiger Herausforderungen ist eine nachhaltige und erfolgreiche Besetzung von Führungspositionen in sozialen Organisationen relevanter denn je. Veränderungen wie der Generationenwechsel, „neue“ Gesetzgebungen, moderne Führungsaspekte sowie sich verändernde Bedarfe der Organisation bieten Anlässe, sich mit dem Cultural Fit von Organisation und Führungskräften auseinanderzusetzen. Denn die persönliche Passung einer Führungskraft ist mehr als ein „nice to have“: Sie hat strategischen Wert. André Katz, Personal- und Managementberater bei conQuaesso® JOBS, schildert seine Erfahrungen aus der Beratungspraxis zum Cultural Fit auf Führungsebene.

Soziale Organisationen verändern sich fortwährend – sie werden fachlich und organisational komplexer, wachsen aufgrund der steigenden Nachfrage oder fokussieren sich aufgrund eines stetigen Veränderungs- und Marktdrucks auf Kernprozesse. Um Herausforderungen wie den demographischen Wandel, ein verändertes Werteempfinden oder die Anpassung von Finanzierungslogiken erfolgreich zu bestreiten, braucht es kompetente Führungskräfte. Mit dem anstehenden Generationenwechsel, gerade auf der Top-Management-Ebene, kündigen sich Veränderungen an. Es empfiehlt sich, Neueinstellungen voranzutreiben oder interne Führungskräfte auszuwählen bzw. weiterzuentwickeln. Ein Anlass dafür, sich mit dem Führungsverständnis, der Kommunikationskultur sowie den Wertvorstellungen in der eigenen Organisation zu befassen.

Denn bei der Suche nach der richtigen Führungskraft spielt neben der fachlichen auch die persönliche und kulturelle Passung der Kandidat*innen zur Organisation – der Cultural Fit – eine wichtige Rolle. Die Organisationen selbst sind sich der Relevanz einer fachlich und persönlich passenden Führungskraft zunehmend bewusst und nehmen zuweilen personelle und/oder organisationale Veränderungsprozesse zum Anlass, sich mit dem Cultural Fit auf Führungsebene auseinanderzusetzen.

Aus der praktischen Erfahrung mit Besetzungsverfahren von conQuaesso® JOBS zeigt sich, dass die Organisationskultur sowie das Miteinander für Kandidat*innen einen gewichtigen Teil bei der Bewertung eines Arbeitgebers ausmachen. Die Organisationskultur meint in diesem Zusammenhang das festgeschriebene Wertverständnis, Ziele und Regeln ebenso wie informelle/verborgene Bestandteile – beispielsweise die Art und Weise der Kommunikation, Entscheidungsfindung oder Problemlösung in der Organisation. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass zu den unterschiedlichen Rahmenbedingungen des Organisationszyklus und/oder der Marktgegebenheiten unterschiedliche Persönlichkeiten passen. So benötigen z. B. Organisationen in Phasen von Innovations- oder Wandlungsprozessen Persönlichkeiten mit beispielsweise einer höheren Gestaltungsmotivation und einem Prozess- und Strukturverständnis.

Die richtigen Kandidat*innen einstellen – Cultural Fit in Besetzungsprozessen

Wirft man einen Blick auf die konkreten Besetzungsprozesse für Führungskräfte, dann kommen darauf bezogen verschiedenen Fragen auf: Wie können Organisationen herausfinden, ob Kandidat*innen zur Organisationskultur passen? Wie erkennen sie, ob die Wertvorstellungen, die Haltungen, Einstellungen oder auch Motivationen und Interessen der Kandidat*innen den eigenen entsprechen?

Diese lassen sich mit verschiedenen Ansätzen beantworten. Strategische Besetzungsprozesse können Organisationen verändern. Deshalb sind Methoden zur geeigneten Stellenbesetzung Instrumente einer strategischen Organisationsausrichtung und können zu einem hohen Cultural Fit beitragen. Beispiele sind unter anderem:

  • Anforderungsanalysen
  • Stellenbeschreibungen
  • systematische Interviewtechniken
  • Eignungsdiagnostik oder Potenzialanalysen

Um geeignete Kandidat*innen auf die eigene Organisation aufmerksam zu machen, ist in einem ersten Schritt eine konkrete, ansprechende Stellenausschreibung von Bedeutung. Darauf basierend können Kandidat*innen entscheiden, ob sie den Anforderungen gerecht werden und die Wertvorstellungen der Organisation teilen. Haben sich fachlich geeignete Kandidat*innen beworben, dann geht es im nächsten Schritt darum, den oder die mit dem höchsten Cultural Fit zur Organisation herauszufiltern. Eignungsdiagnostik sowie Potenzialanalysen können die persönliche Passung und zum Teil auch die fachliche Passung im Sinne der Kompetenzprüfung der Kandidat*innen genauer in den Blick nehmen sowie Stärken und Potenziale identifizieren.

Um die Kompetenzen sowie das arbeitsbezogene Verhalten von Personen zu erfassen, können z. B. kompetenzbasierte und standardisierte Interviews, Fragebögen, Assessment-Center Elemente, Verhaltensbeobachtungen und professionelle Tools wie ProfileXT, das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) oder die ID37 Persönlichkeitsanalyse weitere hilfreiche Instrumente sein. Das Instrument ProfileXT erfasst in den drei Kategorien Denkmuster, Verhaltensweisen sowie Interessen und Motivationen die „Gesamtperson“ auf Basis eines vorab erstellten Anforderungs- bzw. Zielprofils. Anhand von 14 Skalen in den Bereichen berufliche Orientierung, Arbeitsverhalten, soziale Kompetenzen und psychische Konstitution erfasst der BIP Test zudem systematisch berufsrelevante Persönlichkeitsmerkmale. Ziel beider Instrumente ist es, die persönliche Passung speziell bezogen auf verschiedene Merkmale des Arbeitsverhaltens sowie die Passung von Einstellungen und Motivation einer Person zur Organisation bereits im Vorfeld eines Vertragsabschlusses einschätzen zu können. Es handelt sich vereinfacht gesagt um ein gegenseitiges Erwartungsmanagement.

Cultural Fit auf Führungsebene – Zusammenspiel verschiedener Faktoren

Zur Auseinandersetzung mit dem Cultural Fit gehören u. a. folgende Fragen: Wo steht die Organisation aktuell? Welches Führungsverhalten und welche Art der Kommunikation herrschen vor? Aus welcher Situation kommt sie und was ist die kurz-, mittel- und langfristige Strategie? Stimmen die Wertvorstellungen und Verhaltensweisen der Führungskräfte mit denen der Organisation überein? Inwieweit passen die unterschiedlichen Führungsebenen inkl. handelnder Persönlichkeiten zueinander? Braucht es Veränderungen der Führungskultur?

Der Cultural Fit spiegelt sich sowohl in der Führungskultur als auch in den Beziehungen untereinander, dem Arbeitsklima und der Entscheidungsfindung wider. Von einer hohen Passung der Kandidat*innen für eine Führungsposition profitieren beide Seiten. Eine höhere Produktivität und Motivation können ebenso das Ergebnis eines hohen Cultural Fit sein wie eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und eine geringere Fluktuationsrate. Um einen hohen Cultural Fit zu erzielen, ist es zunächst einmal wichtig, die eigene Organisations- und Führungskultur sowie Einflussfaktoren zu kennen. Denn Führungskräfte gestalten die Organisationskultur mit – ob bewusst oder unbewusst – und Mitarbeitende verknüpfen sowohl den Führungs- als auch den Kommunikationsstil mit der Organisationskultur.

Dieser Zusammenhang verschiedener Faktoren, die sich auf den Erfolg einer Organisation auswirken, wird auch im 7-S Modell aufgezeigt. Das Selbstverständnis, die Spezialkenntnisse, der Stil und das Stammpersonal als weiche Faktoren sowie die Struktur, die Strategie und das System als harte Faktoren sind alle untereinander verlinkt und ermöglichen im Zusammenspiel eine ganzheitliche Betrachtung der Organisation.

Die eigene Organisation kennen – auf dem Weg zu einem hohen Cultural Fit

Wie kann die strategische Entscheidung für eine neue Führungskraft bestmöglich vorbereitet werden? Welche Voraussetzungen sollten erfüllt sein, um einen möglichst hohen Cultural Fit auf Führungsebene zu erreichen?

Erforderlich ist ein Bewusstsein über die Werte, Normen und Arbeitsweisen innerhalb der eigenen Organisation ebenso wie ein ausgeprägtes Branchen Know-how. Und nicht nur das – um bei einer Neubesetzung eine hohe Passung zu erreichen, können drei Perspektiven auf die eigene Organisation eingenommen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden:

  1. Wo kommen wir her? – Mit dieser historischen Perspektive werfen Organisationen einen Blick zurück, um sich selbst genauer kennenzulernen.
  2. Wo stehen wir jetzt? – Eine Status Quo-Erhebung dient der Erfassung bestehender Wertvorstellungen sowie Verhaltensweisen und damit als Ausgangspunkt für zukünftige Entwicklungen.
  3. Was braucht es zukünftig? – Es ist wichtig, Ziele und eine Soll-Struktur festzulegen. Besetzungsprozesse sollten berücksichtigen, ob sich die neue Führungskraft mit den strategischen Zielen und gewünschten Werten identifiziert.

Es gibt aber auch noch weitere Faktoren, die den Cultural Fit beeinflussen. So erleben wir in der Beratungspraxis, dass das Vorhandensein partizipativer Prozesse sowie einer transparenten Kommunikation dazu beiträgt, die Organisationskultur unter den Mitarbeitenden sichtbar zu machen und geeignete Kandidat*innen anzusprechen. Es ist wichtig, dass Führungskräfte ihre Strategien an die Mitarbeitenden sowie die Organisation anpassen. Dafür sollten sie wissen, wie die Mitarbeitenden geprägt sind und diese in ihr Handeln einbeziehen.

Den Cultural Fit im Zusammenhang der Organisation betrachten

Ein hoher Cultural Fit beschreibt den Umstand, dass sich Führungskräfte mit den Werten einer Organisation identifizieren und diese repräsentieren können. Unser Erfahrung nach handelt es sich um ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für einen zukünftigen Arbeitgeber. Denn je besser die Potenziale eines Menschen zu den Anforderungen und zur Organisation passen, desto wahrscheinlicher ist ein Erfolg im Rahmen der eigenen Arbeit. Aber nicht nur dass: Auch von Seiten der Organisationen ist ein hoher Cultural Fit bedeutsam, um neue Führungskräfte gut in Arbeitsprozesse integrieren zu können und die eigene Organisations- und Führungskultur zu stärken. Für eine Passung zwischen Organisation und Führungskraft empfiehlt es sich, die Wertvorstellungen und Persönlichkeit seitens der Kandidat*innen ebenso wie die Kommunikationskultur, Strategie und aktuelle Situation seitens der Organisation zu erfassen und miteinander abzugleichen.

Text: André Katz/Leonie Hecken
Titelbild: © Prostock-studio/Adobe.Stock

Marc Dobberstein

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