BlueSmartCare — Altern und Pflege smart denken

Eine ältere Frau sitzt auf dem Sofa und schaut auf ihr Smartphone
Donnerstag, 30 Januar 2025 12:38

Wie wollen wir alt werden? Weiter so wie bisher heißt: immer weniger Fachkräfte für immer mehr Menschen, die Unterstützung und Pflege benötigen. Das kann nicht funktionieren! Genau hier setzt „BlueSmartCare“ an, mit neuen Perspektiven auf das Altern und Vorschlägen für eine weitreichende Systeminnovation, die Chancen für neue Geschäftsmodelle bietet.

Ein Blick in die Zukunft: So könnte das Alter aussehen

Stellen Sie sich vor, Ihr Leben im Alter wäre später einmal genau so, wie Sie es sich wünschen: Sie werden gesund alt. Sie haben ein barrierefreies Zuhause, in dem Sie gut zurechtkommen. Sie leben dank smarter Technik selbstbestimmt. Über ein altersgerechtes Kommunikationssystem können Sie alles von zu Hause aus organisieren: Lebensmittel bestellen, einen Hol- und Bringservice nutzen, remote an Veranstaltungen teilnehmen und per Videostream mit Familie und Freund*innen in Kontakt zu bleiben. Bei Unterstützungs- und Pflegebedarf steht ihnen ein lokal und digital vernetztes Zentrum im Wohnviertel oder ihrer Gemeinde zur Verfügung.

Wie soll das gehen? Prävention hätte einen neuen, zentralen Stellenwert. Dank eines neues Gesundheits- und Selbstfürsorgeverständnisses bleiben Menschen geistig und körperlich fit, unterstützt durch Bots, die Tipps für Schlaf, Bewegung und Ernährung geben. Damit sinkt die Nachfrage nach Pflege- und Unterstützungsbedarfen. Pflegekräfte, nachbarschaftliche Netzwerke und digitale Anwendungen wirken zusammen, damit selbstbestimmtes Leben möglich wird.

Zu schön, um wahr zu sein? Wir finden, dass es durchaus Grund zum Optimismus gibt – vorausgesetzt, wir stellen jetzt die richtigen Weichen und verlassen die eingetretenen Pfade.

Wie Veränderung möglich wird: Hebelpunkte im System

Derzeit verbessern wir das Pflegesystem nicht wirklich. Es ist eher ein Herumdoktern am bestehenden System. Nach dem systemischen Veränderungsmodell von Donella Meadows setzen wir meist an flachen Hebelpunkten an. Beispiele? Die Veränderung von Personalschlüsseln ist letztlich keine Systemveränderung, sondern ein Mehr oder Weniger vom selben. Das System bleibt unberührt. Auch die Anwerbung internationaler Fachkräfte oder das Gewinnen von Quereinsteigern schafft zwar Ressourcenzuflüsse zum System, ändert aber am eigentlichen System nichts.

Ein deutlich größerer Hebel läge darin, den Fachkräftebegriff ein Stück weit aufzulösen und stattdessen ohne Scheuklappen auf einen immer wieder neuen, bedarfsorientierten Kompetenzen-Mix von Freiwilligen, Profis und technischen Tools zu setzen. Das PeBeM-Modellprojekt liefert hierzu bereits Erkenntnisse für den kompetenzorientierten Einsatz von Fachkräften, jedoch stehen wir bei der Einbindung technologischer Innovationen noch ganz am Anfang.

Arbeiten wir weiterhin nur mit derart schwachen Hebeln, bleiben wir auf einem Pfad, der uns mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine finanzielle und pflegerische Sackgasse führt. Müssen wir uns damit abfinden, dass die sich bereits abzeichnende Diskussion um die Absenkung von Pflegestandards demnächst an Fahrt gewinnt?

BlueSmartCare: Ein starker Hebel für Systeminnovation in der Pflege

Wir sehen eine Alternative, einen Systemveränderungspfad, der positivere Perspektiven eröffnet. Im sogenannten Futures thinking – der Disziplin, die sich mit der Suche nach erstrebenswerten Zukünften auseinandersetzt – ist die Methode der „Weak Signals Analyse“ verbreitet. Sie ermöglicht es, neben dem lauten Alltagsrauschen, welches uns weismachen will, dass der derzeitige Entwicklungspfad alternativlos sei, auch andere, schwächere Signale wahrzunehmen. Solche Signale können auf andere, erstrebenswertere Zukünfte hinweisen.

Konkret sehen wir aktuell mehrere (gar nicht so) schwache Signale, die zusammengenommen auf Möglichkeiten einer Systeminnovation im Bereich der Pflege und ein vielversprechendes Leben im Alter hinweisen. Wir sprechen hierbei von BlueSmartCare – einer Systeminnovation, die auf drei Entwicklungen aufbaut:

  • Blue: Unter den „Blue Zones“, blaue Zonen, werden Regionen in der Welt verstanden, in denen überdurchschnittlich viele Menschen lange und gut leben, ohne pflegebedürftig zu werden. Nach Buettner und Skemp (2016) lassen sich aktuell fünf Blaue Zonen identifizieren, darunter Okinawa (Japan), Ikaria (Griechenland) und Sardinien (Italien). Sie zeichnen sich u.a. durch gemeinsame Merkmale wie eine gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität, soziale Verbundenheit, Techniken zur Stressbewältigung und förderlichen Umweltfaktoren aus. Die aktuelle Diskussion um Longevity-Lifestyles zeigt in eine ähnliche Richtung.
  • Smart: Für die Jahrgänge, die demnächst das offizielle Rentenalter erreichen werden, sind Kommunikation, Mobilität, internationaler Austausch und smarte Technologien selbstverständlich. Kommunikationsroboter, Sensoren in der Wohnumgebung oder Telepflege und Telemedizin stoßen auf hohe Akzeptanz. Und es beginnt schon eine Diskussion zur quartiersbezogenen Nutzung der erhobenen Daten für die Planung der kommunalen Infrastruktur.
  • Care: Im Zusammenspiel mit community-basierten Care-Ansätzen ermöglichen diese smarten Technologien ein völlig neues Verständnis von kompetenzbasierter Unterstützung. So ist ein neuer Kompetenz-Mix denkbar, der von Technologie und Menschen gemeinsam getragen wird. Modellprojekte in Quartieren zeigen, dass dabei idealerweise verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationen zum Einsatz kommen – seien es Pflegekräfte oder Nachbarn oder auch Freiwillige. Einher geht dies mit der Auflösung der Sektorengrenzen und der räumlichen Trennung von Wohnen, Pflegen und Teilhabe.

Das Verknüpfen dieser drei Entwicklungsrichtungen führt zur Systeminnovation BlueSmartCare, die Prävention und Technologieeinsatz mit kompetenzbasierter und ortsunabhängiger Erbringung von Pflege- und Unterstützungsleistungen verknüpft. Damit gerät ein erweitertes System in den Blick, das in Ergänzung zur bestehenden Pflegebranche auch das soziale und das technologische Umfeld umfasst. Damit wird „Prävention“ zu einer tragenden Säule der Teilhabe- und Versorgungssysteme und erhält zudem einen weniger „verkopften“ Anstrich. Sie wird zum Wirtschaftsfaktor, indem sie einerseits Belastungen des Pflege- und Gesundheitssektors reduziert, andererseits neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Systemtheoretisch betrachtet werden damit die tiefsten Hebelpunkte angesetzt, das System wird im wahrsten Sinne des Wortes „aus den Angeln gehoben“.

Fazit

In der Konsequenz verändert eine derartige Innovation sämtliche Aspekte des Pflegesystems – die Finanzierung von Leistungen oder Wirkungen, die Organisationstruktur von Trägern, Rollen sowie das Selbstverständnis von Fachkräften. Gesellschaft, Technik und die Pflegebranche stellen sich gemeinsam neu auf. Träger von Heimen werden zu Anbietern sozialräumlicher Technologieplattformen mit angeschlossenen Teilhabe- und Pflegedienstleistungen, die unabhängig vom Wohnort erbracht werden.

Wir sehen hier einen vielversprechenden Weg, die Zukunft des Alterns in unserer Gesellschaft zu gestalten. Als contec stehen wir dazu bereits heute mit verschiedenen Partner*innen aus der Pflegebranche, der IT-Branche, aus Kommunal- und Landesverwaltungen sowie Sozialversicherungen im Austausch. Unser Ziel: Das Hier und Jetzt verbessern und gleichzeitig die Hebel für eine Systeminnovation ansetzen.

Wie möchten Sie alt werden? Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, „BlueSmartCare“ Wirklichkeit werden zu lassen. Kontaktieren Sie uns – wir freuen uns darauf, mit Ihnen die Zukunft der Pflege zu gestalten und bereiten bereits die nächsten smarten Veranstaltungen vor.

Dr. Jan Schröder

Portrait von Dr. Jan Schröder, Management- und Organisationsberater, der contec GmbH

Sind auch Sie der Meinung, dass Pflege völlig neu gedacht werden muss? Ein "Weiter so" wie bisher kommt für Sie nicht infrage? Bei uns finden Sie kluge Köpfe mit Hands-on-Mentalität, Innovationsgeist und exzellenten Netzwerken.

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