Agile Veranstaltungsplanung: Zweite Bochumer Sozialkonferenz setzt auf neue partizipative Prozesse
Wie können wir bekannte Veranstaltungsformate innovativ weiterentwickeln? Wie gelingt es, Veranstaltungen als umfassende Prozesse aufzufassen, die auch außerhalb der Veranstaltungstage selbst stattfinden? Und welche Methoden bieten sich an, um verschiedene Akteur*innen an Lösungsentwicklungen zu beteiligen? Die agile Veranstaltungsplanung hält für diese Fragen Antworten bereit. Dieser Beitrag geht anhand eines Best Practice Beispiels – der Vor- und Nachbereitung sowie Begleitung der Zweiten Bochumer Sozialkonferenz durch die contec GmbH – auf Lernerfahrungen ein. Wir zeigen auf, wie agile Prozesse in dem Zusammenhang aussehen können und welche Potenziale vorliegen.
Der gesellschaftliche und sozialrechtliche Wandel, der Fachkräftemangel sowie die Auswirkungen der Pandemie – diese und weitere Aspekte stellen die Kommunen vor die Herausforderung, schnell und flexibel zu reagieren und ihre Angebote weiterzuentwickeln. Auch branchenübergreifend kommen Organisationen daran nicht mehr vorbei: Der Ausbau innovativer Konzepte und Veranstaltungen steht zunehmend auf der Tagesordnung. Es gilt, den gewohnten Rahmen zu durchbrechen und Prozesse flexibel anzugehen – so auch bei der Vor- und Nachbereitung von beteiligungsorientierten Veranstaltungen.
Für den Erfolg einer Veranstaltung sollten die umfassenden Prozesse um die Veranstaltung selbst als zentrale Aufgabe aufgefasst werden – eine gut organisierte Planung ist hierbei entscheidend. Mit neuen Formen der Zusammenarbeit, Methoden aus dem Bereich Design Thinking und einem partizipativen Fokus gelingt es der agilen Veranstaltungsplanung, Anforderungen effizient zu bewältigen. Sie eignet sich für verschiedene Zielgruppen, bietet aber besonders für Gruppen, die ihre Themen und Visionen partizipativ festlegen möchten, viel Potenzial.
Aufbau der Zweiten Bochumer Sozialkonferenz
Es gilt also, den gesamtplanerischen Prozess der Veranstaltung sowie die Veranstaltung selbst agil und partizipativ zu gestalten. Wie dies aussehen kann, welche Potenziale und Schwierigkeiten ein solches Vorhaben mit sich bringt und was es zu beachten gilt, zeigt das Best Practice Beispiel der Sozialkonferenz Bochum. contec begleitete die Veranstaltung ebenso wie deren Vor- und Nachbereitung besonders unter Einbezug der eigenen methodischen Expertise. Die Zweite Bochumer Sozialkonferenz fand im September 2022 zum Thema „Leben im Alter gemeinsam gestalten“ statt.
Ziel war es, konkrete Lösungsideen und Handlungsmöglichkeiten herauszuarbeiten, die die Stadt Bochum im Anschluss aktiv bearbeiten kann – bspw. als neue Kernaktivität im Rahmen der Bochum Strategie. Dabei setzte sich das Projektteam sowohl aus Beraterinnen der contec als auch aus Verantwortlichen der Stadt Bochum zusammen. Um die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteur*innen und eine gewinnbringende Kombination der unterschiedlichen Expertisen zu sichern, wurden im Projektteam zunächst Rollen verteilt und dokumentiert. Das ermöglichte es, Verantwortungen im Projekt klar zuzuteilen und eine gute Projektbasis zu schaffen.
Problemverständnis schaffen – welche Herausforderungen gibt es?
Die agile Veranstaltungsplanung startete damit, ein zentrales Leitmotto sowie eine Vision für die gesamte Sozialkonferenz festzulegen. Am Tag der Sozialkonferenz sollten die Teilnehmer*innen in Gruppen im Rahmen von thematisch fokussierten Foren zusammenarbeiten, um aktiv Lösungsideen zu spezifischen Fragestellungen zu generieren. Die Themen und Inhalte der jeweiligen Foren wurden vor der Veranstaltung, z. B. auf Basis der aktuellen Sozialberichterstattung und in Projekttreffen unter Einbezug von Fachexpert*innen festgelegt. Diese konnten Inhalte mit dem Blick aus der Praxis heraus reflektieren und ergänzen. Daraus ergaben sich folgende Themen für die vier geplanten Foren:
- Teilhabe und Engagement – On- und Offline erleben
- Wohnen und Quartiersleben – Selbstbestimmung ermöglichen
- Gesundheit und (Selbst-)Fürsorge – Ressourcen stärken
- Pflege und Arbeitsbedingungen – gemeinsam stark
Anschließend ging es darum, für alle Beteiligten ein gemeinsames Problemverständnis zu schaffen. Mit der Hilfe von Methoden aus dem Design Thinking und eines zweistufigen Verfahrens wurde dieses Verständnis erarbeitet. Eine breite Informationsbasis unterstützte die Problemdefinition, während die Formulierung einer lösungsorientierten Fragestellung (sog. „Wie-Können-Wir…“ Frage) der Herausforderungsdefinition sowie der konkreten Themensetzung für die Foren diente. Die WKW-Fragen dienten neben der inhaltlichen Spezifizierung auch dazu, lösungsorientiert zu denken und vorzugehen und bildeten weiterhin eine gute Grundlage zur methodischen Gestaltung der Foren.
Individuell angepasste und partizipative Methoden
Im Vorhinein zur Sozialkonferenz galt es weiterhin festzulegen, wie die Themen innerhalb der Foren so bearbeitet werden können, dass dort möglichst konkrete Lösungsideen entstehen. Dafür traf das Projektteam sowohl inhaltliche als auch methodische Vorbereitungen. Ebenso wurde ein entsprechendes Briefing für die Foren-Moderator*innen durchgeführt, bei dem die ausgewählten Methoden vorgestellt und erklärt wurden. Die Beraterinnen der contec unterstützten vor, während und nach der Veranstaltung, indem sie durch die Prozesse führten und diese organisatorisch begleiteten.
Alle vier Foren starteten damit, mit je verschiedenen Methoden aus dem Design Thinking ein gemeinsames Verständnis für die Herausforderungen sowie die betroffenen Personen zu erarbeiten. Zum Einsatz kamen folgende Methoden: Empathiekarten; AEIOU-Technik (steht für Activities, Environment, Interaction, Objects und User); Kund*in, Mitarbeiter*in, Aktionär*in und Offering-Activity-Culture Map. Sie wurden für die jeweiligen Foren und den entsprechenden Kontext angepasst, um ein partizipatives und individuelles Vorgehen zu ermöglichen.
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Anschließend wurden auf dieser Basis Lösungsideen entwickelt, sortiert und priorisiert – forenübergreifend unter Nutzung der 6-3-5 Methode. Ziel der 6-3-5 Methode ist es, innerhalb eines kurzen Zeitraums viele Ideen zu generieren und anzureichern. Die Methode bietet auch für größere Gruppen die Chance, gemeinsame Ideen zur Problemlösung zu entwickeln. Diese sollen im Idealfall möglichst ausgefallen sein und detailliert beschrieben werden. In Sechser-Gruppen steht jeweils das Brainstorming zu einer vorher festgelegten (WKW-)Frage im Fokus. Dafür bekommt jede Person kurz Zeit, um drei Ideen zu generieren. Diese werden im Anschluss an die nächste Person weitergereicht, sodass diese Anmerkungen und Ergänzungen vornehmen kann – das passiert 5 Mal. Im Anschluss werden die entstandenen Ideen in der Gruppe diskutiert und Lieblingsideen entsprechend markiert.
So entstand zum Beispiel im Forum Wohnen und Quartiersleben die Idee, verschiedene Begegnungsräume, wie beispielsweise Kreativorte oder Quartierstreffs, zu schaffen. Und im Ergebnis des Forums Pflege und Arbeitsbedingungen kam heraus, dass das Image der Pflegeberufe verbessert und die Arbeitsbedingungen weiterentwickelt werden müssen – eine Möglichkeit hierfür wäre die Initiierung einer jährlichen Bochumer Kampagne zum Tag der Pflege.
Ergebnisse sichern und analysieren
Während der Sozialkonferenz und der Nachbereitung gab es einen klaren Fokus: Lösungen finden und konkrete Handlungsmöglichkeiten für die Stadt beschreiben, um ein „gutes Leben im Alter“ in Bochum zu ermöglichen. So entstanden im Veranstaltungsverlauf über 100 verschiedene Anregungen, Vorschläge und Ideen – ein voller Erfolg. Um diese im Nachgang zu analysieren und in Handlungsanregungen zu überführen, legte contec Parameter für die Detailauswertung fest, sortierte und clusterte die Ergebnisse und führte eine kriteriengeleitete Analyse durch. Dafür kamen auch die dokumentierten Lieblingsideen und das Graphic Recording – ein visuell durch Zeichnungen unterstütztes Protokoll während der Veranstaltung – zum Einsatz.
Bild: Stadt Bochum
Ebenso wie bei der agilen Veranstaltungsplanung legten contec und die Stadt Bochum auch bei der Auswertung großen Wert darauf, die Interessen der Teilnehmer*innen zu berücksichtigen. Der Bewertung zugrunde liegende Qualitätskriterien waren:
- städtische Einflussmöglichkeiten auf die Umsetzung der Idee,
- die Zeitschiene der Lösungsideen
- und das Innovationspotenzial.
Der städtischen Einflussmöglichkeit wurde aufgrund der weiteren Bearbeitung der Ideen durch die Stadt die größte Bedeutung zugemessen. Alle Ideen, die tatsächlich umsetzbar sind, wurden dann vor dem Hintergrund ihres Innovationspotenzials bewertet und in eine Zeitschiene eingeordnet. Um die Perspektive der Teilnehmer*innen zu berücksichtigen, wurden die Ergebnisse zudem nach der Häufigkeit ihrer Nennung bewertet:
- Welche zehn übergreifenden Themenfelder lassen sich aus den Ergebnissen bilden?
- Welche drei Themenfelder wurden je Forum am häufigsten adressiert?
- Welche Lösungsideen wurden innerhalb dieser drei Themenfelder am meisten genannt?
Agile Veranstaltungsplanung – was gilt es zu beachten?
Sowohl die Stadt Bochum als auch contec profitierten bei der Begleitung der Zweiten Bochumer Sozialkonferenz von einer agilen Prozessgestaltung und der Nutzung innovativer Methoden. Denn dadurch war es möglich, die organisationsübergreifende Zusammenarbeit über einen langen Zeitraum hinweg zielgruppenorientiert, flexibel und partizipativ zu gestalten. Im Rahmen der Vorbereitung konnten alle auf individuelle Bedürfnisse eingehen und die Prozesse, ebenso wie das Veranstaltungsformat, daran anpassen.
Damit Themen im Rahmen einer Veranstaltung und innerhalb kurzer Zeit von unterschiedlichen Teilnehmer*innen bearbeitet werden können, sollten diese möglichst fokussiert und eingegrenzt angegangen werden. Aus diesem Grund stellte sich die Aufteilung der Teilnehmer*innen in vier Foren mit je einer spezifischen Fragestellung als gut geeignet heraus. Dennoch gilt es hierbei zu berücksichtigen, dass es durch den starken Fokus dazu kommen kann, dass weitere wichtige Aspekte innerhalb eines Themenfeldes nicht betrachtet werden.
Prozesse der agilen Veranstaltungsplanung bieten sich an, wenn bestehende Veranstaltungsformate neu gedacht und die Zielgruppe der Veranstaltung aktiv an deren Entwicklung, Ablauf und Nachbereitung beteiligt werden sollen.
Text: Sina Matysek/ Denise Beuthner/ Leonie HeckenTitelbild: ©ASDF/Adobe Stock
Sina Matysek
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