Gesundheitliche Versorgungsplanung: Eine individuelle Beratung für die letzte Lebensphase

Ältere Frau und Pflegerin halten sich im Garten an den Händen_Gesundheitliche Versorgungsplanung
Dienstag, 25 April 2023 10:22

Die gesundheitliche Versorgungsplanung (GVP) ist ein Angebot zur Dynamisierung der oft als unflexibel kritisierten und zu selten genutzten Patientenverfügung. Sie ermöglicht Bewohner*innen in stationären Pflegeeinrichtungen, ihre letzte Lebensphase aktiv zu gestalten. Mit Ida Wagner, Organisationsberaterin von contec und Expertin für palliative Versorgung in Pflegeheimen, haben wir darüber gesprochen, was Einrichtungen für die GVP brauchen und welche Chancen es in der Praxis gibt.

Was bringt die Gesundheitliche Versorgungsplanung?

Ziel der gesundheitlichen Versorgungsplanung ist es, den Willen der Betroffenen nicht nur zu hinterlegen, sondern ihn wiederholt und unter Berücksichtigung verschiedener Situationen sowie fachkundiger Beratung einzuholen und regelmäßig zu reflektieren. Bewohner*innen werden über die pflegerisch-medizinische, psychosoziale und seelsorgerliche Versorgung beraten und es werden ihnen Hilfen und Angebote der Sterbebegleitung aufgezeigt. Die frühe Einbindung der Palliativ- und Hospizversorgung ermöglicht ihnen ein selbstbestimmtes Leben bis zum Tod. Ziel ist es, dass die Bewohner*innen selbst über ihre Behandlungs-, Versorgungs-, und Pflegemaßnahmen entscheiden. Die Kommunikation soll so verbessert werden, dass alle beteiligten Parteien über die Ergebnisse der Beratung, also die Wünsche der Bewohner*innen, informiert sind. Für dieses Angebot wurde im Rahmen des Hospiz- und Palliativgesetzes (HPG) die gesetzliche Grundlage mit dem § 132g „gesundheitliche Versorgungsplanung“ (GVP), in Anlehnung an das internationale Konzept „Advance Care Planning“ (ACP), geschaffen.

Der Mensch im Mittelpunkt: Ergebnisoffene Kommunikation

Mit der gesundheitlichen Versorgungsplanung und der Verankerung dieser im HPG wurde erstmalig der Prozesshaftigkeit bei der Entstehung von Patientenverfügungen Raum gegeben. Wie man das Kind auch nennen möchte – Advance Care Planning, gesundheitliche Versorgungsplanung, Planung im Voraus oder vorausschauende Versorgungsplanung – eines ist klar: Ein funktionierendes GVP-Angebot ist eine Chance. Die möglichen Vorteile reichen von der Stärkung der Bewohner*innenautonomie, selbst festzulegen, welche Behandlung bis zu welchem Maß durchgeführt werden soll, bis zur verbesserten interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten. „Die GVP erfordert eine gute Kommunikation und Kooperation zwischen dem Pflegeheim, Ärzt*innen, ambulanten Palliativ- und Hospizdiensten, Bewohner*innen und deren Angehörigen“, betont Ida Wagner, Organisationsberaterin bei contec. „Im Fokus steht dabei das Wohl der Bewohner*innen, die im Rahmen von Beratungsgesprächen transparent und wertschätzend über alle Möglichkeiten der Versorgung aufgeklärt werden sollten. Dabei geht es nicht darum, Bewohner*innen von einem bestimmten Vorgehen zu überzeugen, sondern ihnen eigene Entscheidungen zu ermöglichen und deren Wünsche und Bedürfnisse zu kennen“.

Individuelle Bedürfnisse im Fokus der Beratung

Wenn Pflegebedürftige keine Patientenverfügung oder ein Beratungsgespräch möchten, dann muss auch das akzeptiert werden. Aber wenn Einrichtungen über die individuellen Wünsche Ihrer Bewohner*innen Bescheid wissen, weil sie diese regelmäßig abfragen, dann können u. a. ungewollte Krankenhauseinweisungen, Notarzteinsätze und auch nicht gewollte Behandlungen vermieden werden. „Die Dokumentation des Prozesses mit einer Verschriftlichung der Willensäußerung gibt der Einrichtung und insbesondere den Mitarbeitenden dabei einen rechtssicheren Handlungsrahmen“, erklärt Ida Wagner.

Sicherlich ist ein funktionierendes GVP-Angebot ein erster Schritt für Einrichtungen, ein umfassendes Palliativkonzept zu etablieren. Aber wie so oft gilt auch hier: Ohne Kommunikation funktioniert das beste Konzept nicht. Deshalb sind ausgebildete Gesprächsbegleiter*innen nicht nur durch die Gesetzgebung verpflichtend, sondern auch ein wichtiger Schritt zur ganzheitlichen Einbindung aller Beteiligten. Dabei benötigen die Berater*innen sowohl fachliche als auch soziale Kompetenzen. Sie müssen über entsprechende Grundqualifikationen verfügen und einschlägige Berufserfahrung mitbringen. Zudem sind umfassende Kommunikationskompetenzen grundlegend für die Arbeit als Gesprächsbegleiter*in. „Es ist wichtig, dass die Berater*innen die Bewohner*innen respektvoll und empathisch durch den Beratungsprozess führen können“, so Ida Wagner.

Was Einrichtungen für die GVP brauchen

Neben einer*einem qualifizierten Gesprächsbegleiter*in ist die Vernetzung mit allen beteiligten Akteur*innen notwendig für die GVP. Dazu gehören: Ärzt*innen, Rettungssanitäter*innen, ambulante Palliativ- und Hospizdienste, Angehörige, Vertrauenspersonen und Seelsorger*innen. Jede*r Bewohner*in hat das Recht, einmal im Jahr ein Gespräch mit einer qualifizierten Fachkraft zu führen. Eine transparente Kommunikation des Angebots, vor allem schon vor Abschluss des Heimvertrags, aber auch durch Flyer, Aushänge etc. ist ebenfalls wichtig. Außerdem benötigen Pflegeheime ein gut aufgestelltes Konzept, das die Einbindung der Versorgungsplanung in die Gesamtstruktur und konzeptionelle Ausrichtung der Einrichtung umfasst. Das braucht Zeit, Engagement und einen Organisationsentwicklungsprozess. Pflegefachkräfte sind in ihrem Alltag ohnehin oft einem hohen Zeitdruck ausgesetzt und ihnen on-Top die Durchführung der vorausschauenden Versorgungsplanung aufzutragen, ist nicht zielführend.

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Möglichkeiten der Finanzierung

Pflegeeinrichtungen müssen zur Abrechnung der Leistung gesundheitlicher Versorgungsplanung eine Vergütungsvereinbarung mit den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen schließen. Zum Abschluss der Vergütungsvereinbarung müssen Einrichtungen bzw. Träger nachweisen, dass die Anforderungen der Rahmenvereinbarung nach § 132g Abs. 3 SGB V erfüllt sind. Abrechnungsfähig sind dabei entstandene Bruttopersonalkosten sowie Sach-, Overhead- und Regiekosten der Einrichtungen. Aktuell gilt eine pauschale Vergütung mit einem Stellenanteil von 1:400 zzgl. einem prozentualen Anteil der Sach-, Overhead- und Regiekosten, gemessen an den Bruttopersonalkosten. Zur Abrechnung der Leistungen sind die Beratungsgespräche zu dokumentieren und Leistungsnachweise zu erbringen. Die Inanspruchnahme des Angebots durch die Pflegebedürftigen in diesen Einrichtungen ist freiwillig und kann jederzeit aktualisiert oder widerrufen werden.

Im Jahr 2020 hat der GKV-Spitzenverband seinen letzten Bericht zur Umsetzung der GVP in deutschen Pflegeheimen veröffentlicht.  Dabei kam heraus, dass bis Ende 2019 bundesweit nur 941 solcher Versorgungsverträge in stationären Pflegeeinrichtungen abgeschlossen wurden – dabei gibt es in Deutschland mehr als 11.000 vollstationäre Pflegeheime. Auch wenn das Angebot einer gesundheitlichen Versorgungsplanung in Deutschland nicht verpflichtend ist, sollten sich Einrichtungen über den Mehrwert für Bewohner*innen und Mitarbeitende bewusst sein: „Eine gut etablierte GVP sichert eine hochwertige Pflege für Ihre Bewohner*innen und entlastet Ihre Mitarbeitenden im Alltag. Sie gehen also akute Belastungen konkret an“, betont Ida Wagner.

Text: Ida Wagner/Katharina Ommerborn Titelbild: Imagepocket/Adobe

Ida Wagner

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